Trotz Sanktionen lieferten deutsche Unternehmen Großprodukte für die Rüstungsindustrie nach Russland

Auch nach der Krim-Annexion exportierten deutsche Unternehmen mit Zustimmung der Bundesbehörden sogenannte Dual-Use-Produkte, also potenziell zivil und rüstungstauglich, nach Russland. Entsprechend Sonntag Die Welt am Sonntag tat dies im großen Stil und trotz der von der Europäischen Union verhängten Sanktionen.

Dies behauptet der deutsche Sonntagsarbeiter auf der Grundlage einer ihm vorliegenden, bisher unveröffentlichten Liste des Bundeswirtschaftsministeriums.

Allein im Jahr 2020 erteilte das Ministerium bzw. das ihm nachgeordnete Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) 673 Genehmigungen für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern nach Russland im Gesamtwert von fast 366 Millionen Euro.

Güter mit doppeltem Verwendungszweck sind zum Beispiel Maschinen zur Waffenherstellung, Flugzeugbautechnik oder Chemikalien. Ein so großes Volumen dieser Lieferungen aus Deutschland verwundert laut Sonntag, denn seit der Krim-Annexion 2014 gelten laut EU-Vorschriften strengere Kriterien für solche Exporte nach Russland als in andere Länder. „Daher stellt sich die Frage, ob die deutschen Zulassungsbehörden das ausreichend prüfen“, schreibt Welt am Sonntag.

Um welche Waren es sich bei Russland handelt, ist weitgehend unbekannt. Noch im März 2021 verteidigte die Bundesregierung die Genehmigung solcher Ausfuhren mit dem Argument, dass es „konkreter Anhaltspunkte für die Gefahr der Endverwendung“ der Ware bedürfe, bevor die Ausfuhrgenehmigung nach Russland verweigert werden könne.

Professor Bernhard Wegener, öffentlich-rechtlicher Experte an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitarbeiter der Grünen, bezweifelt, dass diese Genehmigungspraxis mit der geltenden EU-Sanktionsverordnung vereinbar ist. Diese verbietet die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, wenn die ausgeführten Güter für militärische Zwecke „bestimmt“ sein könnten. Es sind die gegenüber Russland schärfer eingestellten Regierungsgrünen, die diese Praxis der Vergabe von Ausfuhrgenehmigungen überprüfen wollen. Im Gegenteil, Vertreter der Koalitions-FDP verteidigen das Vorgehen. Der Wirtschaftsexperte der Partei, Hagen Reinhold, wies darauf hin, dass die Zahl der Dual-Use-Exporte nach Russland zuletzt zurückgegangen sei. Und soweit ihm bekannt ist, dient der Export „nicht militärischen Zwecken“ und beruht zum Teil auf älteren Verträgen, die nach europäischem Recht dem Schutz des Urzustands unterliegen. Reinhold fügte jedoch hinzu, dass angesichts der aktuellen russischen Aggression auch strengere Exportverbote möglich seien. „Im Moment liegen alle Optionen auf dem Tisch“, sagte er.

Aldrich Sachs

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