Post-Merkel Deutschland: ein überdurchschnittlicher Motor, aber festgefahren

Die nächste Koalition wird eine Wirtschaft erben, die sich noch nicht vollständig von der Coronavirus-Krise erholt hat. Deutschland war es zu Beginn der Pandemie gelungen, den Schaden durch eine weniger strenge Eindämmung und eine geringere Belastung der betroffenen Sektoren (wie zum Beispiel Tourismus) stärker als seine Nachbarn zu begrenzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde damals für ihren guten Umgang mit der ersten Infektionswelle gelobt. Infolgedessen war die automatische Erholung der Aktivität nach Aufhebung der Beschränkungen schwächer ausgefallen.

Die deutsche Outperformance wurde nicht gehalten. Die neuen Infektionswellen brachten Anfang 2021 neue Einschränkungen mit sich und verzögerten die Erholung. Ergebnis: Das BIP lag im zweiten Quartal 3,3 Punkte unter dem Niveau vor der Pandemie, der gleiche Unterschied wie in Frankreich und ungefähr gleich wie in Italien. Während die weltweite Nachfrage nach Gütern bemerkenswert stark ist, was einem Industriestandort wie Deutschland hätte zugute kommen sollen, dominieren nach wie vor Angebotsengpässe. Das Problem ist so akut, dass die Industrieproduktion jenseits des Rheins derzeit stärker gedrückt ist als im Rest der Eurozone. Es liegt 5 Punkte unter seinem Vorkrisenniveau, während die Lücke für seine Nachbarn dank Zuwächsen bei der Produktion von Computer- und pharmazeutischen Geräten fast geschlossen ist.

Überbelichtung im Auto

Deutschland leidet eindeutig unter seinem Übergewicht im Automobilsektor, dessen Aktivität 25 Punkte unter dem Normalwert liegt. Ursache ist der Mangel an elektronischen Bauteilen, ein Rätsel von globalem Ausmaß. Das Problem rührt aber auch von einem landesspezifischen Rückgang der Aktivität her. Tatsächlich folgten seit drei Jahren auf den ersten Blick gelegentlich negative Schocks: neue Umweltauflagen, Handelskonflikte mit den USA, Knappheit an Chips.

Sollte die Erholung jedoch vorerst durch die Schwäche der Automobilindustrie gebremst bleiben, werden die anderen Dienstleistungssektoren dieses Handicap überkompensieren. Denn trotz einer gewissen Abflachung deuten die aktuellen Geschäftsklimaindizes aus den Ifo- und PMI-Umfragen auf eine Beschleunigung des BIP-Wachstums im dritten Quartal in Verbindung mit der weiteren Aufholjagd des Dienstleistungskonsums insbesondere im sehr dynamischen Hotel- und Gastronomiebranche. Bei einem Arbeitsmarkt mit starken Einstellungsabsichten sollte daher das Niveau der präpandemischen Aktivität noch vor Ende 2021 überschritten werden.

Durch Bruno Cavalier, Chefökonom bei Oddo-BHF

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