Bern entsendet einen neuen Botschafter nach Minsk

BERN – Um ihre Interessen in Weissrussland besser zu wahren, entsendet die Schweiz eine neue Botschafterin: Christine Honegger Zolotukhin wird ihr Amt im Februar antreten, teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) heute der Agentur Keystone-ATS mit. Unterdessen wird heute berichtet, dass die im September 2020 in Minsk festgenommene Weißrussin Natallia Hersche in einen Hungerstreik getreten ist.

Der Sangallese mit doppelter Staatsbürgerschaft hat aus Protest gegen schlechte Ernährung, Kälte und die kontinuierliche Verbreitung des nationalen Radioprogramms in voller Lautstärke in der Zelle aufgehört zu fressen. Ihre Haftbedingungen seien für sie unerträglich geworden, sagte ihr Bruder gegenüber «Der Bund» und den deutschsprachigen Zeitungen von Tamedia.

Mit Blick auf einen Artikel im «Tages-Anzeiger», der über die Ernennung von Christine Honegger Zolotukhin berichtete, ist das EDA überzeugt, dass der Bund seine Interessen mit einem lokalen Botschafter besser vertreten könne als ohne Vertretung an der Spitze Ebene in Minsk. Nach Abwägen der Vor- und Nachteile ist die Auslandsabteilung zu dem Schluss gekommen, dass wir uns auf die Realität des Landes konzentrieren und einige Brücken bestehen lassen müssen, sagt der stellvertretende Außenminister Johannes Matyassy gegenüber Keystone-ATS.

Ein Ziel der Schweiz sei es, auf die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Weissrussland aufmerksam zu machen. Während der formellen Übergabe ihres Beglaubigungsschreibens wird die neue Botschafterin die Gelegenheit nutzen, diese Punkte mit Alexander Lukaschenko anzusprechen.

Kritische Stimmen wie die der Menschenrechtsorganisation Libereco sind jedoch der Meinung, dass die Interessen der Schweiz in Weissrussland auch durch einen Geschäftsträger gewahrt werden könnten, der Lukaschenko kein Beglaubigungsschreiben ausstellen sollte. In einer heutigen Stellungnahme definiert die NGO den Plan des EDA als Tiefpunkt der schweizerischen Aussenpolitik: Er bedeutet faktisch, dass der Bund Lukaschenko als legitimen Präsidenten anerkennt.

Das von Ignazio Cassis geleitete Departement hält seinerseits fest, dass die Schweizer Aussenpolitik auf den gleichen Werten basiere wie die EU. Anders als diese anerkennt der Bund jedoch nur die Staaten, nicht aber die Legitimität der Staatsoberhäupter. Die Überreichung des Beglaubigungsschreibens ist daher für die Schweiz kein Akt der Anerkennung des umstrittenen Lukaschenko.

Das bietet einige Spielräume, die Bern nutzen will, um den Kommunikationskanal auf höchster Ebene offen zu halten. Das biete auch Mehrwert für andere Staaten – ergänzt das EDA.

Im Zusammenhang mit dem konsularischen Schutz erinnert das Aussenministerium daran, dass es auch Hersche unterstützt, einen doppelt schweizerisch-belarussischen Staatsbürger aus St. Gallen, der bereits mehrfach Besuch von Schweizer Vertretern erhalten hat. Hersche hatte am 19. September 2020 an einer Demonstration gegen das Lukaschenko-Regime in Minsk teilgenommen und wurde festgenommen.

Gemäss Schweizer Menschenrechtsorganisationen wurde Hersche im Dezember 2020 «in einem unfairen Verfahren» zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Die NGO Libereco behauptet in ihrer heutigen Stellungnahme, Aussenminister Ignazio Cassis habe es bisher kläglich versäumt, seine Freilassung durchzusetzen aus den „Kupplungen der Lukaschenko-Diktatur“. Die Präsidentschaftswahlen vom 9. August 2020 gelten als manipuliert. Lukaschenkos Gegnerin Svetlana Tikhanovskaya behauptet den Sieg.

Die Schweizer Botschaft in Minsk wurde im Februar 2020, wenige Monate vor Lukaschenkos Wiederwahl, von Cassis persönlich eröffnet. Im vergangenen Herbst trat der bisherige Botschafter in Weißrussland in den Ruhestand. Die Übernahme sei zwar bereits im November gewählt worden, die Ernennung habe sich aber aus internen administrativen Gründen verzögert, teilte das EDA mit.

Aldrich Sachs

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