Wird die Schweiz wieder Geschäfte mit der deutschen Kriegsindustrie Rheinmetall machen?

Im Juli wird im Schweizer Parlament der Teilverkauf der Kriegsgesellschaft RUAG diskutiert. Einer der Stakeholder ist der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall.

1998 wurden die Produktions- und Instandhaltungsabteilungen der Schweizer Armee in das Unternehmen eingegliedert RUAG (Rüstungs-Unternehmen AG) und unterstellt dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS. Inzwischen hat sich RUAG zu einem internationaler Technologiekonzern. Doch nun muss gemäss Entscheid des Bundesrates der internationale Teil der RUAG inklusive Munitionsproduktion verkauft werden. Aber an wen?

Einer der möglichen Käufer ist die deutsche Kriegsfirma Rheinmetall, die schon hat sechs Standorte in der Schweiz – in Zürich, Ittigen-Bern, Lohn-Ammannsegg, Wimmis, Altdorf und Studen – und arbeitet mit RUAG in verschiedenen Betrieben zusammen, zum Beispiel speziell bei der Herstellung von Treibstoffen in Wimmis.

Aber was weiß die Öffentlichkeit über diese Kriegsindustrie? Kann es sich die Schweiz als neutrales Land politisch und moralisch leisten, den Rheinmetall-Konzern, der mit der Zerstörung von Menschenleben viel Geld verdient, weiter zu stärken?

2018 war in der ARD ein sehr informativer und interessanter Film über Rheinmetall von 43 Minuten Dauer zu sehen (klick WHO für die deutsche Version). Können Sie nach dem Anblick noch ruhig schlafen?

Zufälligerweise hat die deutsche Online-Zeitung „NachDenkSeiten“ gerade einen sehr ausführlichen Bericht über Rheinmetall veröffentlicht. Hier zitieren wir einige Textpassagen: „Am Standort Unterlüß sind Rheinmetall Landsysteme und Rheinmetall Waffe Munition ansässig. Rheinmetall Landsysteme stellt Panzer her, während Rheinmetall Waffe Munition Kanonen, Bomben und Munition herstellt. An diesem Standort betreibt Rheinmetall auch den größten privaten Schießstand Europas mit einer Fläche von 50 km². Bereits 1899 wurde der Standort gepachtet. Rheinmetall und der Standort Unterlüß haben eine lange Tradition in der Herstellung von Waffen aller Art und sind seit jeher besonders eng mit der deutschen Regierung verbunden. Im Ersten Weltkrieg produzierte Rheinmetall Waffen für den Kaiser und im Zweiten Weltkrieg für den Führer. Letzterer stattete Unterlüß einen persönlichen Besuch ab. Damals wurden Wehrmachtsbomben von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen hergestellt und dann auf ihre Länder abgeworfen.

Zwischen 1945 und 1955 gab es für Rheinmetall eine Zwangspause. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, der Aufnahme in die NATO 1955 und dem Bau der neuen Bundeswehr war Rheinmetall wieder im Geschäft. In den 1960er Jahren belieferte das Unternehmen die Bundeswehr erneut mit Waffen, Panzern und Munition.

Auch alte Beziehungen wurden reaktiviert. Schließlich kannten sie sich aus alten Zeiten, als der Führer noch lebte. Inzwischen waren viele alte Nazis in die Verwaltung der jungen Bundesrepublik zurückgekehrt. Deutschland durfte wieder eine Armee haben und Waffen bestellen, am besten bei alten Freunden. Die Kundenbeziehungen zwischen Rheinmetall, der Bundeswehr und dem Bund bestehen bis heute.“

Hier ist ein weiterer Schritt: „Rheinmetall ist Deutschlands größter Waffen- und Munitionshersteller, Branchenführer und vertreibt seine Produkte weltweit, auch in Krisengebieten und Kriegsländern. Aber das ist verboten, oder nicht?

Der Bundessicherheitsrat ist für Ausfuhrgenehmigungen zuständig und entscheidet in geheimer Sitzung nach dem Waffengesetz. Besteht die Möglichkeit, dass die ausgeführten Rüstungsgüter für Friedensstörungen oder Angriffskriege verwendet werden, ist deren Ausfuhr untersagt. Lieferungen von Kriegswaffen an Länder, die an bewaffneten Konflikten beteiligt sind oder von solchen Konflikten bedroht sind, können nicht genehmigt werden. Die Anwendung von Beschränkungen liegt im Ermessen des Bundessicherheitsrats.

Um seine tödlichen Produkte weltweit zu verkaufen, muss Rheinmetall im Zweifelsfall Regulierungen umgehen, und das gelingt vortrefflich: Rheinmetall verlagert die Produktion einfach in Länder mit weniger strengen Regulierungen und betreibt seine Geschäfte im Ausland. . Im Ausland hergestellte Waffen unterliegen nicht der deutschen Rüstungsexportkontrolle. (Zu diesen Ländern gehört Italien mit RWM-Produktionsstandorten in Ghedi, Brescia und Domusnovas auf Sardinien)

Noch ein Absatz: „Kundenbeziehungen zur Rüstungsindustrie sind offensichtlich: von der Politik bis zur Wirtschaft. Dirk Niebel, ehemaliger Entwicklungsminister, ist heute Leiter Internationale Strategieentwicklung und Regierungsbeziehungen und Cheflobbyist bei Rheinmetall. Franz-Josef Jung, ehemaliger Verteidigungsminister, ist Mitglied des Aufsichtsrats“.

Der Artikel über den Rüstungskonzern Rheinmetall ist geschrieben von Marco Wenzel.

Am 9. Juni ein Antrag von Werner Salzmann (SVP) im Ständerat auf der Tagesordnung steht, mit dem Ziel, die Munitionssparte der RUAG International auszuschliessen, RUAG Ammotec aus einem Verkauf an einen ausländischen Konzern. Seine Begründung lautet: Die Schweiz braucht im Kriegsfall eine eigene Munitionsproduktion. Da RUAG und Rheinmetall bereits ein Joint Venture für Nitrochemie in Wimmis (der ehemaligen Pulverfabrik Wimmis) eingegangen sind, ist davon auszugehen, dass Rheinmetall nun auch an der Übernahme von Ammotec interessiert ist.

Es wäre kein Luxus, wenn Parlamentarier vor der Abstimmung noch etwas mehr über Rheinmetall erkundigen würden. Der neue Trend der Rüstungsindustrie ist bekanntlich eine weitere „Entmenschlichung“ des Krieges: Auf der Seite des „Feindes“ ist das Ziel nach wie vor die Vernichtung von Menschen, auf der eigenen Seite nun das Ziel möglichst viele unbemannte Fahrzeuge – „Unmanned Ground Vehicles“, UGVs und „Unmanned Air Vehicles“ UAVs –, also Drohnen, einzusetzen. Im Bereich der UGVs ist insbesondere Rheinmetall führend, wenn auch eigene Werbevideos zeigen diese UGVs nur als Transport- oder Aufklärungsfahrzeuge. Das Zeigen der Kampf- und Angriffsmodelle kann psychologisch zu schockierend sein. Oder vielleicht nicht? Suchen und finden: In Südafrika zeigte Rheinmetall 2019 den „Mission Master“ Live-Feuer, Videodauer 1 Minute und 42 Sekunden: klicken Sie hier.

Die Frage muss wiederholt werden: Kann es sich die neutrale Schweiz politisch und moralisch leisten, einen Teil des noch staatseigenen Technologiekonzerns RUAG an den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall zu verkaufen und damit weiter zu stärken?

Christian Müller für die Online-Zeitung INFOsperber

Aus dem Deutschen übersetzt von Thomas Schmid

Bewertung von Anna Polo

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