Pandemie: Die Bundesländer wollen nicht alleine entscheiden | Deutschland – aktuelle deutsche Politik. DW-Nachrichten auf Polnisch | DW

Ab Ende März 2020 befindet sich Deutschland in einer „nationalen Epidemie“, die der Bundestag wegen der Pandemie angekündigt hat. Dies ist eine Notlage, die es vorher nicht gab und für die ein neues Gesetz erlassen wurde.

Dieses „Bürgerschutzgesetz im Seuchenfall“ enthält viel in sich. Es ermöglicht den Bundes- und Landesregierungen, Beschlüsse ohne Zustimmung der Parlamente in Form von Verordnungen zu erlassen. Das können Einreisebestimmungen, Regelungen zum Tragen von Masken bei Bahnreisen oder ein deutschlandweiter Lockdown sein.

Auch das Gesundheitsministerium könnte ohne Genehmigung selbst Vorschriften erlassen, etwa zur Lieferung von Medikamenten, Schutzausrüstung oder Materialien an Labore. Jens Spahn hat als Bundesgesundheitsminister damit mehr Macht als wohl jeder andere in diesem Amt.

Das Gesetz sollte verlängert werden

Damit die Schutzmaßnahmen in der Coronavirus-Krise vorankommen, regelt das neue Gesetz auch die Bestimmungen anderer Gesetze, etwa des Infektionsschutzgesetzes und des Baurechts.

Aber Notmaßnahmen sollten nicht ewig dauern. Daher waren viele Dinge zeitlich begrenzt. Allerdings dauerte die Pandemie länger als erwartet. Daraufhin verlängerte der Bundestag die Geltungsdauer des Gesetzes wiederholt um weitere drei Monate. Sie gilt derzeit bis zum 25. November 2021. Wenn sie nicht erneut verlängert wird, laufen viele Gesetze aus. Minister Spahn hat sich bereits gegen eine Verlängerung ausgesprochen.

Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder

Die Sache mit der Verantwortung

Was würde passieren, wenn das Gesetz zum „Epidemie-Ausnahmezustand“ jetzt aufgegeben würde? Würden die Schutzmaßnahmen gegen eine Pandemie aufgehoben? Nein, denn die politische Verantwortung würde wieder auf die Ebene der Länder verlagert, die in der Regel für Gesundheitsfragen zuständig sind.

Die Länder dürfen unter Berufung auf das Gesetz zum Infektionsschutz noch Beschränkungen einführen. Und in letzterem heißt es: „Nach dem vom Bundestag angekündigten Ende der nationalen Epidemie dürfen deren Artikel 1 bis 6 angewendet werden, soweit und solange in einem bestimmten Bundesland eine besondere Gefahr der Ausbreitung der Epidemie besteht.“ Diese Punkte legen die notwendigen Schutzmaßnahmen fest, die vom Tragen einer Maske über das Einhalten von Abständen und Beschränkungen des persönlichen Kontakts bis hin zu Verboten und Obergrenzen der Teilnehmerzahl bei verschiedenen Veranstaltungen reichen.

„Dann geht die Entscheidung zurück an die Parlamente“, sagte Virologe Hendrik Streeck. Ob Maskenpflicht oder die 3G-Regelung zu den Rechten von Geimpften, Rekonvaleszenten und Personen mit einem gültigen Coronavirus-Test, die Parlamente müssten selbst entscheiden, „ob dies jetzt ist oder nicht“. Damit könnten bundesspezifischere Entscheidungen getroffen werden, wenn es beispielsweise an einer Stelle zu einem Infektionsausbruch kommt. Aber wie sehen das die Bundesländer selbst?

Die Länder fordern neue Regelungen von der Regierung

Das Thema „Epidemiegefahr“ ist zum Leitthema der zweitägigen Jahrestagung der Landesbehörden, der sogenannten Ministerpräsidentenkonferenz, geworden. Am Ende wurden zwei Themen klar: Die Länder wollen nicht selbst für den Schutz vor dem Coronavirus verantwortlich sein. Andererseits sollen grundlegende Erhaltungsmaßnahmen fortgeführt werden. Auch Minister Spahn empfahl dies, trotz seiner Ablehnung der Verlängerung des Gesetzentwurfs.

Michael Müller

Michael Müller

Bis zum 25. November müsse der Bundestag eine neue Handlungsgrundlage für die Länder schaffen, forderte der scheidende Berliner Bürgermeister Michael Müller, der das Gremium bisher leitete. Es kann sich um eine Erweiterung des Notstandsgesetzes, aber auch um ein Übergangsgesetz oder einen Sonderbeschluss handeln. Die Länder waren risikoscheu und brauchten einen gesetzlichen Rahmen vom Bund. Denn, wie aus der Rechtsprechung hervorgeht, „würden die Gerichte kritisch, wenn die Länder selbst entscheiden“.

Tatsächlich wurden wiederholt gerichtliche Entscheidungen erlassen, in denen regionale Beschränkungen der Grundrechte kritisiert wurden. Der Verfassungsrechtler Michael Brenner vermutete in einem Interview mit dem MDR, dass viele der Grundrechtseinschränkungen nicht so einfach zu passieren wären oder ohne Bundesrecht vor Gericht gegangen wären.

Deutschland ohne „Tag der Freiheit“

Doch die Auflagen für den Bund sind jetzt nicht so einfach zu erfüllen. Deutschland befindet sich in einer Übergangsphase nach den Wahlen und wartet auf ein neues Kabinett. Der neue Bundestag konstituiert sich am 26. Oktober. Eine neue Regierung könnte im Dezember gebildet werden. Derzeit laufen Koalitionsgespräche zwischen SPD, FDP und den Grünen.

FDP und Grüne kritisieren bislang die Frage, ob eine Verlängerung der „Epidemie“ sinnvoll sei. Schon bei der letzten Verlängerung des Gesetzes gab es viele Gegenstimmen. Jetzt kann es noch schwieriger werden, eine Mehrheit zu gewinnen, da ihre beiden Verteidiger, die SPD und die CDU/CSU, keine Mehrheit mehr im Parlament haben.

Vieles ist noch unklar, aber eines ist sicher: Es wird in Deutschland keinen „Freedom Day“ wie in Großbritannien oder Dänemark geben. Unabhängig davon, ob es sich um eine „Epidemiekrise“ handelt oder nicht, die Politik neigt nicht dazu, im Herbst oder Winter das Ende der Pandemie zu verkünden. Auch die gerade wieder stark gestiegene Zahl der Neuinfektionen spricht nicht ganz dafür.

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Aldrich Sachs

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