Der neuen deutschen Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen kann kein Mangel an Enthusiasmus vorgeworfen werden. Kaum hatte sie ihr Amt angetreten, hatte sie bereits ein straffes Programm realisiert. Antrittsbesuche in Brüssel, Paris und Warschau, Teilnahme am Treffen der G7-Außenminister in Liverpool, Teilnahme an der Abrüstungskonferenz in Schweden.
Er kann auch Dinge erledigen. Nach dem Mord in Tiergarten, der unmissverständlich erklärt, dass der Mörder im Auftrag der russischen Behörden gehandelt hat, hält Baerbock zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft für unerwünscht und ruft den Botschafter ins Auswärtige Amt. Der 40-jährige Grünen-Politiker macht öffentlich.
Wandel versus Kontinuität
Dennoch dürfte die Außenpolitik ein ständiger Zankapfel in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP sein. Die Konfliktlinien sind grob gesagt: Baerbock will etwas bewegen, indem er Menschenrechten und Klimaschutz in seinem Amt einen neuen Stellenwert einräumt. Für Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD wiederum hat die Fortsetzung der Politik von Angela Merkel Priorität. Früher oder später kommt es zu einem Zusammenstoß.
Beispiel China: Das Kanzleramt bestreitet nicht, dass Scholz Mitte Oktober, lange bevor er zum Bundeskanzler gewählt wurde, in Peking sagte, an der Haltung Deutschlands gegenüber China werde sich nicht viel ändern. Wirtschaftliche Interessen stünden im Vordergrund, versicherte er. Diese Informationen stammen nach Angaben der Medien von EU-Ratspräsident Charles Michel. Im Koalitionsvertrag ist es Grünen und FDP gelungen, beispielsweise Chinas Menschenrechtsverletzungen in Hongkong explizit zu erwähnen.
Baerbock will eine werteorientierte Politik betreiben, doch was das genau bedeutet, bleibt unklar. Und der mächtige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat dem neuen Außenminister bereits seine Grenzen aufgezeigt, als er zum Entsetzen der Grünen und der FDP sagte, die Außenpolitik werde weitgehend im Kanzleramt bestimmt. Das ist vor allem in der Europapolitik einfach eine Tatsache, wie vielen Außenministern unter Angela Merkel schmerzlich bewusst wurde.
Nord Stream 2 – ein Zankapfel
Beispiel Russland: Baerbocks harte Reaktion nach dem Mordurteil Tiergarten wird weiterhin von allen Mitgliedern der Bundesregierung gutgeheißen. Ob die fertiggestellte Gaspipeline Nord Stream 2 jedoch tatsächlich an das Netz angeschlossen wird, wie Baerbock glaubt, ist höchst ungewiss. Sollte Russland dagegen die Ukraine angreifen, wäre das Stoppen von Nord Stream 2 eine Option für die Europäer. Aber nur dann.
Die Sozialdemokraten waren und sind Befürworter des Gasabkommens mit den Russen. Bundeskanzler Scholz sagte schlicht und ergreifend, die Pipeline sei kein politisches Problem mehr, die Behörden müssten ihr zustimmen oder nicht. Er ist sich bewusst, dass Deutschland Gas brauchen wird, wenn im nächsten Jahr die letzten deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden und der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht so schnell voranschreiten wird, wie es die Grünen wünschen.
Klima ist eine Frage der Außenpolitik
Nehmen Sie die nukleare Abrüstung: Baerbock setzt sich für die Reduzierung der Zahl der Atomwaffen ein – wie es in Schweden bewiesen hat. In Deutschland lagern aber noch US-Atomwaffen, die notfalls aus deutschen Flugzeugen abgeworfen werden könnten. Und das wird auch unter der neuen Regierung so bleiben. Deutschland will dafür sogar neue Flugzeuge kaufen. Die Kampagne zur Reduzierung der Zahl der Atomwaffen bleibt also der Aufruf des neuen Ministers, mehr nicht.
Dass Baerbock jedoch die Verantwortung für die internationalen Klimaverhandlungen übernommen hat, die bisher immer in der Verantwortung des Umweltministeriums liegen, ist ein kluger Schachzug. Dies erhöht den Rang des Außenministeriums. Und es ist ein logischer Schritt für den Minister der Grünen. Auf jeden Fall ist die deutsche Außenpolitik jetzt spannender als zuvor, was zu begrüßen ist.
Möchten Sie diesen Artikel kommentieren? Mach es auf Facebook! >>
„Web pioneer. Typical pop culture geek. Certified communicator. Professional internet fanatic.“