Licht und Schatten von Joachim Löw | Sport | DW

Das Ende der Ära Joachim Löw war nicht ruhmreich. Eigentlich wollte der Trainer der deutschen Elf seine 15-jährige Amtszeit mit einer erfolgreichen Meisterschaft oder im besten Fall mit einem Europameistertitel für Deutschland beenden. Doch es kam anders. Nach einer EM-Niederlage gegen Deutschland und einem 0:2 im Achtelfinale gegen England erreichte Löws Team die Endstation. Löw geht geschlagen, und wieder werden Stimmen laut, es wäre besser gewesen, wenn er schon nach der EM vor fünf Jahren zurückgetreten wäre.

Bis dahin konnte Löw seinen Heiligenschein bewahren und immer dafür sorgen, dass die deutsche Fußballmannschaft bei allen Turnieren mindestens das Halbfinale erreichte: Sie erreichten das Finale der Euro 2008, das Halbfinale der Weltmeisterschaft 2010, das Halbfinale der Europameisterschaft of Soccer 2012 wurde er Weltmeister 2014 und erreichte 2016 das Halbfinale. Eine glänzende Bilanz. Die WM 2018 in Russland endete mit der Niederlage Deutschlands in der Gruppenphase als herbe Enttäuschung. Und jetzt auch die Europameisterschaft.

Joachim Löw.

Deutschland, Weltmeister 2014: ein Beispiel

Das Positive, das von der Ära Löw bleiben wird, ist der Fußball-Weltmeistertitel für Deutschland im Jahr 2014, dessen Glanz jedes Scheitern vergessen macht. Ein Erfolg, der verdienter nicht hätte sein können. Deutschland hatte damals dank Joachim Löw die beste Mannschaft, die für den Rest der Fußballwelt ein Vorbild war. Das 7:1 im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien ging in die Fußballgeschichte ein. Ein weiteres Verdienst von Löw ist der bereits von seinem Vorgänger Jürgen Klinsmann eingeleitete Paradigmenwechsel, der ein unattraktives Spiel in einen offensiven, kreativen und eleganten Stil verwandelte.

Plötzlich hatte Deutschland frische und interessante Spieler wie Thomas Müller, Mesut Özil und Toni Kroos. In der Abwehr sind Mats Hummels und Jerome Boateng Vorbilder, und Manuel Neuer wird zum besten Torhüter der Welt. Dieses Erbe eines attraktiven Offensivspiels sollte auch von Hansi Flick, dem Nachfolger von Joachim Löw, ernst genommen und besonders nach den schwachen Leistungen der deutschen Elf in den vergangenen Jahren gepflegt und hervorgehoben werden.

Joachim Löw (links) begrüßt den englischen Trainer Gareth Southgate.  (29.06.2021).

Joachim Löw (links) begrüßt den englischen Trainer Gareth Southgate. (29.06.2021).

Zu viele Zweifel, zu wenig Selbstwertgefühl

Der Rückblick auf die letzten 15 Jahre unter der Führung von Löw ist getrübt von Momenten, in denen der deutsche Trainer zu sehr schwankte, zu wenig Vertrauen in die eigene Stärke hatte und stattdessen falsche Entscheidungen traf, sich zu sehr an den Gegner anpasste. Im Halbfinale der WM 2010 verlor die deutsche Mannschaft knapp gegen ein starkes Spanien, weil Löw eine Defensivtaktik verordnete, die den Spielern ihre Offensivfähigkeit raubte. 2012 wechselte er vor dem EM-Halbfinale gegen Italien sein Team, nur um „Manager“ Andrea Pirlo zu deaktivieren, was total misslang. Der Jubel des muskulösen Mario Balotelli ist als Symbol für Löws Niederlage noch immer im kollektiven Gedächtnis.

Seine Karriere als Technischer Leiter des deutschen Teams war zu diesem Zeitpunkt bereits ins Stocken geraten, auch weil Löw den Rückzug aus der Szene beschloss und sich wochenlang nicht zu der Sache äußerte. Nach dem demütigenden Scheitern in den ersten Runden der WM 2018 in Russland bei der Verteidigung des Weltmeistertitels passierte dasselbe.

Ein weiterer Makel – der in keiner rückblickenden Analyse der Leistungen von Joachim Löw in den kommenden Jahrzehnten fehlen wird – war der Verzicht auf Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng nach der WM in Russland. Das betraf zum einen drei Spieler des FC Bayern München, die nach dem Leistungsprinzip durchaus in der Nationalmannschaft hätten spielen müssen. Andererseits war die Kommunikation über den Ausschluss dieser Spieler unglücklich. Ähnliches passierte Löw 2010 mit Michael Ballack und Torsten Frings, zwei Spielern, die verdient in der deutschen Elf dabei waren und mit denen er im Deutschen Fußball-Bund kein sauberes und friedliches Karriereende fand. Für Löw spricht in diesem Fall, dass er mit ihnen bereits Gespräche darüber geführt hat und zu beiden ein gutes Verhältnis pflegt.

Löw erkannte seine Fehler, aber zu spät

Kurzum, es entsteht der Eindruck, dass Joachim Löw zwar in der Lage war, eigene Fehler zu erkennen und einzugestehen, dies aber meist zu spät tat. Das Halbfinale 2012, alle Hinrunden 2018, die Eröffnung der Euro 2021 gegen Frankreich und auch die Niederlage im Achtelfinale gegen die Engländer; Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Löw hätte zugeben müssen, dass etwas nicht stimmte. Er war jedoch nicht mehr in der Lage, so zu reagieren, dass das Schlimmste hätte vermieden werden können. Auch die „Entschuldigung“ an Müller und Hummels vor dieser EM geht in diese Richtung. Hätte Löw früher nachgegeben, hätte er sich vielleicht einige Diskussionen über die schwachen Leistungen und Ergebnisse der deutschen Nationalmannschaft etwa in der UEFA-Nationenliga ersparen können.

(cp/ers)

Aldrich Sachs

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