Gepostet am 12.09.2022 12:45Aktualisiert am 28. September 2022 um 17:02 Uhr
Jenseits des Rheins verspricht der Winter hart zu werden. Innerhalb weniger Tage haben drei deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute eine Rezession zum zentralen Szenario für das kommende Jahr gemacht. Das Ifo rechnet mit einem Rückgang des BIP um 0,3 % im jahr 2024, während das Institut Halle (IWH) einen Rückgang um 1,4 % erwartet. Die von Kiel (IfW) liegt mit einem Minus von 0,7 % zwischen den beiden, aber wie beim Ifo bedeutet diese Schätzung eine Abwärtsrevision von 4 Punkten (!) seiner Prognosen im Juni.
Diese starke Verschlechterung würde mit einer Fortsetzung des Preisanstiegs einhergehen und Deutschland in eine Stagflation stürzen. Die drei Wirtschaftsinstitute prognostizieren für 2023 einen Sprung des Preisindex zwischen 8,7 % und 9,5 %. Das ifo rechnet sogar mit einem Anstieg um 11 % im ersten Quartal 2023. Letzteren zufolge würden die sinkenden Löhne zu realen Gewinnen führen rund 3 % in diesem Jahr und wieder im nächsten Jahr. „Das wird der höchste Wert seit Einführung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen im Jahr 1970 sein“, folgert das Institut.
Der Energieschub, der große Übeltäter
Die explodierenden Energiepreise sind der Hauptgrund für diesen Pessimismus. Ausgangspunkt der Berechnungen der Volkswirte sind die Niveaus der Terminkontrakte, auf deren Basis die Energiekonzerne den Bezug von Gas und Strom aushandeln. Bei Preisen von bis zu 250 Kilowattstunden im Jahr 2024 sind die Kunden mit steigenden Rechnungen noch nicht fertig. Sie profitieren auch von vorab fixierten Verträgen, die bisher nur einen kleinen Teil der aktuellen Steigerung beinhalteten.
Diese Aussicht erhöht den Druck auf die deutsche Koalition, die von den Extremen angeheizte Volksproteste befürchtet. Olaf Scholz wird sich am kommenden Donnerstag mit den Sozialpartnern treffen, um einen Weg zu finden, um eine Inflationsspirale zu vermeiden, die zu einer zu hohen Aufwertung der Löhne führen würde. Sondern die Gewerkschaften, an deren Spitze IG Metall sind umso weniger bereit, ihre Nachfrage zu reduzieren, da der dritte Maßnahmenplan für die bescheidensten Haushalte nicht ausreichen wird, um den erwarteten Kaufkraftverlust auszugleichen, betont das Ifo.
Auch deren Präsident Clemens Fuest sieht einen Schubsbedarf für die Unternehmen. „Zumindest bei Barhilfen und Bürgschaften muss das Angebot aussagekräftig sein“, um die Banken für die Zukunft ihrer durch die Energiekrise geschwächten Kunden zu beruhigen. „Wenn die Politik ihren Job macht, ist eine Pleitewelle vermeidbar“, schloss er am Montag in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“. Er erkennt an, dass ihre Zahl jedoch zunehmen wird.
Eine Erholung unter Bedingungen im Jahr 2024 erwartet
Die Folgen dieses Phänomens für die Beschäftigung werden nach ifo-Schätzungen begrenzt sein. Der für 2023 erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen um mindestens 50.000 Menschen werde „hauptsächlich auf den raschen Anstieg der Zahl der arbeitslosen ukrainischen Bürger im Sommer 2022 zurückzuführen sein“, sagte er.
Die drei Wirtschaftsinstitute erwarten zudem bis 2024 ein Wachstum zwischen 1,7 % und 2,3 % und eine auf 2,5 % bis 3,1 % reduzierte Inflation. Vorausgesetzt, die Energiekrise ist vorüber: Das Ifo geht davon aus, dass die Preise spätestens im Frühjahr 2024 wieder sinken werden. Und auf jeden Fall hält das Kieler Institut es für „sehr unwahrscheinlich“, dass die Schuldenbremse bis 2024 aufrechterhalten wird, die den Einsatz von mehr Schulden auf 0,35 % des BIP begrenzt.
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