Wird Angela Merkel in Afrika vermisst? | International – Deutschland, Europa, Afrika | DW

Im Laufe der Jahre hat die Häufigkeit der Afrikareisen von Angela Merkel zugenommen, ebenso wie die Zahl der Treffen mit afrikanischen Staatsoberhäuptern.

Merkel traf sich beispielsweise mit dem ehemaligen angolanischen Präsidenten José Eduardo dos Santos und später mit seinem Nachfolger João Lourenço. Er traf auch mit dem derzeitigen mosambikanischen Staatsoberhaupt Filipe Nyusi zusammen und lud im August eine Reihe von Staats- und Regierungschefs zu einem Abschiedstreffen nach Berlin ein. Für Merkel lief das Treffen gut – vom afrikanischen Kontinent kommt nur Lob.

Das Engagement der Kanzlerin für die Stärkung der Beziehungen zum Kontinent sei „bemerkenswert“, sagt Minenhle Nene vom South African Institute of International Affairs (SAIIA) im Gespräch mit der DW. Vor allem im wirtschaftlichen Bereich: „Mit Angela Merkel an der Spitze sind die deutschen Investitionen in Afrika moderat gewachsen.

„Echtes Interesse“ an Afrika

Auch Akinwumi Adesina, Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank, lobt das Engagement der deutschen Bundeskanzlerin. „Angela Merkel zeigt seit langem echtes Interesse an diesem Kontinent und den klaren Wunsch, Entwicklung und starkes Wirtschaftswachstum zu fördern“, schreibt Adesina in einer Mitteilung an die DW.

Familienfoto während eines Treffens der Initiative „Compact with Africa“ im August dieses Jahres in Berlin

Als Beispiel nennt der ehemalige Landwirtschaftsminister Nigerias die Initiative „Compact with Africa“, die Merkel während der deutschen G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 ins Leben gerufen hat. Die Initiative gründet Partnerschaften zwischen 12 afrikanischen Staaten und G20-Staaten wie Deutschland . Afrikanische Staaten verpflichten sich zu Reformen, die ihre Volkswirtschaften für Investoren attraktiver machen; Die G20-Staaten unterstützen den Prozess und machen afrikanische Staaten mit Unternehmen in ihren Ländern bekannt.

„Bisher haben die meisten deutschen Unternehmen gezögert, in Afrika zu investieren, aber jetzt sind sie zunehmend in der Region präsent. Das ist nicht zuletzt dieser Initiative zu verdanken“, ergänzt die Südafrika-Expertin Minenhle Nene.

wenig deutsche Präsenz

Dennoch gibt es Wachstumspotenzial. Afrika repräsentiert nur 1 % der deutschen Investitionen weltweit. Auf dem Kontinent gibt es nur 800 aktive deutsche Unternehmen. „Wir können nicht von einem Tag auf den anderen Änderungen verlangen, insbesondere wenn es um Initiativen geht, die darauf abzielen, langfristige Partnerschaften mit Vorteilen für beide Seiten aufzubauen“, sagt Nene.

Dies ist eine Seite der Medaille. Aber es gibt auch Kritik, etwa von Gerrit Kurtz, Analyst am Forschungszentrum GPPI in Berlin. Ihm zufolge habe die Initiative „Compact with Africa“ ihr Ziel, deutsche Privatinvestitionen in Afrika zu fördern, nicht ganz erreicht und sei weit „unter den Erwartungen“ geblieben, selbst von Bundeskanzlerin Angela Merkel angeheizt.

Nicht private Auslandsinvestitionen schaffen Arbeitsplätze auf dem Kontinent, resümiert Kurtz.

Eigeninteressen

Der Analyst kritisiert auch die sogenannten „Reformpartnerschaften“ in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit: Afrikanische Länder, die aus Sicht der Bundesregierung Fortschritte in Sachen „Good Governance“ machen, erhalten zusätzliche Unterstützung. Äthiopien beispielsweise gehört seit 2019 zu diesen Partnern, obwohl es international wegen des Konflikts in Tigray in die Kritik geraten ist.

Nigers Präsident Mahamadou Issoufou und Bundeskanzlerin Angela Merkel

Präsident in Niger Mahamadou Issoufou und Bundeskanzler im Jahr 2019

Trotz allem hebt Kurtz einige positive Aspekte hervor: Bundeskanzlerin Angela Merkel habe in den vergangenen Jahren dem afrikanischen Kontinent mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Damit habe Afrika „in der deutschen Außenpolitik an Bedeutung gewonnen“ und Berlin seinen Horizont über rein entwicklungspolitische Themen hinaus erweitert. „Das ist ein Durchbruch“, sagt der Analyst.

Doch hinter dieser Stärkung der Beziehungen Deutschlands zu mehreren Ländern des afrikanischen Kontinents stünden klare Interessen, erinnert sich Kurtz. Merkel kam 2005 ins Bundeskanzleramt, doch die Häufigkeit ihrer Reisen nach Afrika nahm erst 2016 zu, unmittelbar nach der sogenannten „Flüchtlingskrise“ in Deutschland. Der Stopp der irregulären Einwanderung nach Europa stehe ganz oben auf der Agenda der Kanzlerin und anderer europäischer Partner, insbesondere Frankreichs, was zur Erosion „deutscher Prinzipien“ auf dem Kontinent führe, sagt Kurtz.

Änderung des Fokus

Wie sieht Angela Merkel das deutsche Engagement in Afrika? Im Gespräch mit der DW sagte die Kanzlerin, dass es in den 16 Jahren ihrer Amtszeit eine leichte Schwerpunktverschiebung gegeben habe, „von Ostafrika – Äthiopien und Kenia waren Länder, die Deutschland an der Spitze standen – nach Afrika West“. Dies war vor allem auf die terroristische Bedrohung in der Region zurückzuführen. Aus diesem Grund hat Berlin die Zusammenarbeit mit den Sahel-Staaten Mali, Mauretanien, Tschad, Burkina Faso und Niger deutlich ausgebaut.

Welche Bedeutung der afrikanische Kontinent für Merkels Nachfolger Olaf Scholz haben wird, ist noch unklar. Im Koalitionsvertrag zwischen Scholz‘ Partei, SPD, Grünen und Liberalen findet sich kaum ein Bezug zu Afrika.

Analyst Gerrit Kurtz vom Forschungszentrum GPPI geht jedoch davon aus, dass Deutschland weiter in Partnerschaften auf dem Nachbarkontinent investieren wird.

„Die deutsche Afrikapolitik hat auf einem sehr niedrigen Niveau begonnen. Im Gegensatz zu anderen internationalen Akteuren, die stärker in Afrika präsent sind, wie etwa Großbritannien, Frankreich oder die Vereinigten Staaten, hat Deutschland die Chance, seine Partnerschaften auf dem Kontinent wirklich zu tragen. Wenn das Merkels Vermächtnis für die Afrikapolitik ist, wird es schon ein Erfolg.“

Aldrich Sachs

"Web pioneer. Typical pop culture geek. Certified communicator. Professional internet fanatic."