Kommentar: Merkel geht. Ihr Politikstil bleibt | Deutschland – aktuelle deutsche Politik. DW-Nachrichten auf Polnisch | DW

Die anfangs so unterschätzte Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihren 16 Amtsjahren vier Regierungen geführt und eine Reihe von Krisen gemeistert. Sie hat mit vier US-Präsidenten, fünf britischen Premierministern und vier französischen Präsidenten zusammengearbeitet. Von der Zahl der österreichischen Bundeskanzler oder italienischen Ministerpräsidenten ganz zu schweigen. In vielen Hauptstädten kamen und gingen die Regierungschefs, Angela Merkel blieb.

Daher ist es verständlich, dass sich viele Menschen vor allem im Ausland Deutschland und Europa ohne Angela Merkel nicht mehr vorstellen können. Und deshalb fragen sie, ob eine wirtschaftlich starke Nation im Herzen des Kontinents ohne Bundeskanzlerin Merkel stabil und berechenbar bleibt.

Nicht die Muskeln, sondern die Wirbelsäule

Sie war unprätentiös, ruhig und pragmatisch im Umgang mit schwierigen Partnern. Trotz aller Provokationen blieb sie im Umgang mit Donald Trump und Wladimir Putin stets gelassen. Zwischen den Zeilen zeigte sie oft ihren politischen Kompass, der im Ausland oft viel besser erkannt wurde als in Deutschland.

Die Kanzlerin hat um eine Position in einer von Männern dominierten Welt gekämpft. Sie spannte ihre Muskeln nicht an, sondern ruhte auf ihrer Wirbelsäule. „Es erfordert zunächst Ehrlichkeit gegenüber anderen und vor allem gegenüber uns selbst“, sagte sie 2019 in ihrer Harvard-Rede. Dazu gehört – wie Merkel sagte – Lügen nicht Wahrheiten zu nennen, sondern Wahrheiten Lügen“.

Merkel in Sotschi: Treffen mit Putin und seinem Labrador

Laute Botschaften liegen ihr eindeutig weniger als subtile Gesten. Als Wladimir Putins großer Labrador bei einem Besuch in Sotschi um sie herumlungerte, blieb sie ruhig – trotz ihrer großen Angst vor Hunden. Erst jetzt, 14 Jahre nach diesem Ereignis, bei ihrem letzten Besuch im Kreml, mitten in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin, ließ sie ihr Handy mit maximaler Lautstärke klingeln. Und das zweimal hintereinander!

Merkel und ein neuer Politikstil

Im Ausland wurde Merkel für ihren Stil fast mehr gemocht und respektiert als in Deutschland selbst. Obwohl es natürlich nicht nur im Ausland beliebt ist und war. Außerdem musste sie eine ganze Reihe unangenehmer Entscheidungen treffen. Bis heute beklagen die Griechen deren Schwere angesichts der Finanzkrise, die Italiener ärgern sich darüber, dass sie die Augen vor der bereits vor 2015 wachsenden Migrationskrise verschließen und die Polen stimmen dem Bau der Nord Stream 2 zu Gas-Pipeline. Merkels Respekt in der internationalen Arena.

Angela Merkel auf dem Podium des Bundestages bei der Wahl von Olaf Scholz zum Kanzler

Angela Merkel auf dem Podium des Bundestages bei der Wahl von Olaf Scholz zum Kanzler

Angela Merkel vertritt einen Politikstil, der bei anderen kaum zu finden ist: Sie regierte 16 Jahre lang ohne Skandale. Und mit ihrem selbstbestimmten Abgang hat sie ein Muster dafür gesetzt, wie eine freiwillige Machtübergabe mit Würde und Respekt erfolgen kann.

Die Lehre des neuen Kanzlers

Kein Wunder, dass sich nach Merkels Abgang nun viele Menschen im Ausland nach Deutschland fragen. Übrigens fragen auch viele Deutsche danach. In ihrer Partei – der CDU – war schon lange der Vorwurf aufgekommen, Merkel habe nicht an ihre Nachfolge gedacht.

Aber wenn man die parteipolitische Dimension außer Acht lässt, kann man sich durchaus fragen, ob das stimmt. Ihr Nachfolger, der Sozialdemokrat Olaf Scholz, war vier Jahre lang Vizekanzler an Merkels Seite. Stabilität und Kontinuität sind auch für ihn die wichtigsten Leitlinien deutscher Politik. Niemand im Ausland muss also seine Meinung ändern. Schließlich hatte die neue Kanzlerin lange genug von Merkel gelernt.

Aldrich Sachs

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