Von lokal bis international, vom Nachtzugprojekt zwischen Paris und Berlin bis zum europäischen Scaf-Kampfflugzeug, von der Doppelbesteuerung der Grenzbewohner bis zur Militärintervention in der Sahelzone: Die deutsch-französische Versammlung demonstrierte am Montag die tägliche und geostrategische Tragweite der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern.
Diese letzte Stunde gemeinsamer Fragen in der Merkel-Ära vor den Bundestagswahlen im September bot mehr als zwei Jahre nach der Verabschiedung des deutsch-französischen Vertrags in Aachen 2019 Gelegenheit, Bilanz zu ziehen.
Merkelscher Euphemismus
In vielen Punkten „haben wir Differenzen, sonst bräuchten wir keinen deutsch-französischen Dialog“, resümierte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Abgeordnetentreffen in virtueller Versammlung mit Ministerpräsident Jean Castex.
Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Mittel zur Erreichung der Umweltziele, sei es durch den Bau einer „Brücke“ dank Gas in Deutschland oder die Aufrechterhaltung der Atomkraft in Frankreich, erinnerte sie sich. Es „schließt“ auch künftige „kontroverse Diskussionen“ über die Rückkehr zum Stabilitätspakt, der zur Umsetzung des europäischen Konjunkturprogramms vorerst bis 2023 eingefroren ist, nicht aus.
Erfolge gibt es auch beim Fortgang gemeinsamer europäischer Industrieprojekte (IPCEI) insbesondere bei Wasserstoff, Batterien und Halbleitern. Fünf der fünfzehn gemeinsamen Investitionsprojekte in Zukunftstechnologien seien auf Kurs, sagte Jean Castex. Andere müssen aus dem Bereich Gesundheit oder Kultur kommen.
Die harte „Lektion“ geschlossener Grenzen
Der Vertrag von Aix, der möglichst bürgernah sein sollte, reichte jedoch nicht aus, um ihnen den Alltag zu erleichtern. Die Schließung der Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich während der Pandemie sei „sehr hart“ gewesen, räumte die Kanzlerin ein, die „viele Briefe von Grenzarbeitern“ erhielt. Die „unter diesen Umständen zweifellos unumgängliche“ Rückkehr der Kontrollen müsse dennoch „als Lehre für eine bessere Zusammenarbeit in der Zukunft dienen“, hofft sie.
Auch die Arbeiten zur Doppelbesteuerung von Grenzgängern müssen „fortschreiten“, so Jean Castex. In einem ersten Schritt hofft Angela Merkel, die Frage der Doppelbesteuerung des Kurzarbeitergeldes „ziemlich schnell zu lösen“, da mit anderen Nachbarn, etwa der Schweiz und den Niederlanden, bereits Lösungen gefunden wurden.
Schach in Russland oder Mali
Sehr genau zu den laufenden konkreten Dossiers blieb die Kanzlerin bei den großen außenpolitischen Dossiers, bei denen die Befugnisse des Bundestages die der Nationalversammlung übersteigen, ausweichend.
Insbesondere wich sie Fragen zu einem künftigen Engagement Deutschlands in der europäischen Tabuka-Truppe in Mali aus, „die in Deutschland noch nicht diskutiert wurde“. Die Frage ist umso heikler, als Deutschland am Freitag von einem Kamikaze-Angriff in Gao in Mali erschüttert wird, bei dem dreizehn UN-Soldaten, davon zwölf Deutsche, verletzt wurden.
Die Bundeskanzlerin setzt sich hingegen weiterhin stark für die Umsetzung eines Dialogs mit Russland ein, zu dem sie ihre europäischen Partner beim letzten Gipfel trotz Unterstützung von Präsident Macron nicht gewinnen konnte. Sie möchte zumindest Themen für den Dialog über die Zukunft Syriens und insbesondere Libyens definieren, da es zu Weißrussland oder der Ukraine keine Gemeinsamkeiten gibt. US-Präsident „Joe Biden hat mit dem russischen Präsidenten gesprochen, warum kann Europa nicht? fragte sie sich.
Eine der Ambitionen der deutsch-französischen Versammlung sei es, Standpunkte zu internationalen Fragen zusammenzubringen, erinnerte der Präsident der Nationalversammlung, Richard Ferrand. Der Dialog mit den Abgeordneten des nächsten Bundestages muss wieder aufgenommen werden.
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