Für Irritationen sorgte auch die Rede des Kommandeurs der deutschen Marine, Kay-Achim Schönbach, der unter anderem seine Überzeugung zum Ausdruck brachte, dass die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim niemals an die Ukraine zurückkehren werde. Schönbachs Rücktritt nach dem Skandal konnte die Unruhe zwischen Berlin und Kiew nicht vollständig beseitigen.
„Der Moment der Wahrheit ist gekommen“
All dies führte dazu, dass der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba die bilateralen Beziehungen sehr kritisch sah. „Deutschland hat seit 2014 viel für die Ukraine getan, um Druck für Sanktionen zu mobilisieren, ukrainische Reformen voranzutreiben und die ukrainische Wirtschaft zu unterstützen“, sagte der Minister gegenüber dem ukrainischen Sender ICTV und fügte hinzu, dass in jeder Krise der Moment der Wahrheit treffe. „Jetzt haben wir mit Deutschland diesen Moment der Wahrheit erreicht, und zwar in einer Reihe grundlegend wichtiger Fragen zur Sicherheit und Zukunft der Ukraine als unabhängiger Staat“, sagte er.
Dazu gehören aus ukrainischer Sicht die deutsche Unterstützung für härtere Sanktionen gegen Russland, die Gaspipeline Nord Stream 2 in der Ostsee und Waffenlieferungen. „Wir sprechen hier nicht nur über bilaterale Waffenlieferungen aus Deutschland in die Ukraine, sondern auch über die deutsche Erlaubnis, Waffen an Drittstaaten zu transferieren. Und auch über die deutsche Zustimmung zu ukrainischen Waffenkäufen über die Nato. Deutschland“, sagt Kuleba. Medienberichten zufolge hat Berlin es Estland bislang nicht erlaubt, alte Haubitzenbestände der Nationalen Volksarmee der DDR an die Ukraine zu liefern.
Beziehung überdenken
Bereits im Dezember letzten Jahres warf der ukrainische Verteidigungsminister Oleksiy Resnikov Deutschland vor, Waffenlieferungen über die Nato an die Ukraine zu verhindern. „Sie bauen die Pipeline Nord Stream 2 und blockieren gleichzeitig unsere Waffen zu unserer eigenen Verteidigung. Das ist ziemlich unfair“, sagte er laut ukrainischen Medien. Der Minister warnte davor, dass die Strategie „Russland nicht provozieren“ nicht funktionieren werde.
Unterdessen fordert das ukrainische Parlament die Vereinten Nationen, das Europäische Parlament, Regierungen und Parlamente anderer Länder sowie internationale Organisationen auf, endlich die europäische Perspektive der Ukraine anzuerkennen und ein Datum für den Beitritt des Landes zur NATO festzulegen.
So haben die parlamentarischen Ausschüsse Europäische Integration und Außenpolitik des ukrainischen Parlaments einen gemeinsamen Brief an den Bundestag gesandt. Darin fordern sie, die deutsche Politik gegenüber der Ukraine angesichts der russischen Bedrohung zu überdenken. „Es ist unverantwortlich und kurzsichtig, sich nicht zu bewaffnen und sogar unsere Partner daran zu hindern. Alle bisherigen Begründungen für diese Politik sind nicht überzeugend. Das ist keine Beschwichtigungspolitik, sondern ein Anreiz zum Krieg“, heißt es in dem Text liest. „Die Ukraine wird niemals gegen andere Länder zu den Waffen greifen“
Marina Bardina, Abgeordnete der regierenden ukrainischen Partei Diener des Volkes und stellvertretende Vorsitzende des parlamentarischen Auswärtigen Ausschusses, sagte der DW, sie und ihre Kollegen erhoffen sich vor allem diplomatische Hilfe und Unterstützung vom Deutschen Bundestag, um die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen.
Im Gespräch mit der DW äußert Iryna Heraschtschenko ihre Besorgnis darüber, dass Berlin nicht nur Waffenlieferungen aus Deutschland, sondern auch aus anderen Ländern verhindert. Sie ist eine der Vorsitzenden der Europäischen Solidaritätspartei. „Auch die Ukraine zieht die Diplomatie den Waffen vor. Die Ukraine wird niemals Waffen gegen andere Länder erheben, während Waffen seit acht Jahren gegen uns eingesetzt werden. Wir haben das Recht auf Verteidigung“, sagte Heraschtschenko.
Auf einen ganz anderen Punkt weist Valeriy Hnatenko, Abgeordneter der Partei „Opposition – For Life“, die die zweitstärkste Parlamentsfraktion darstellt, hin. Er findet es demütigend, dass die Ukraine den Westen um Waffen bittet, da das Land einst selbst ein Waffenexporteur war. „Die aktuelle Politik unseres Staates ist falsch. Wir haben in 30 Jahren alles ruiniert, was wir 1991 von der Sowjetunion geerbt haben“, sagt er.
„Widersprüche in der deutschen Position“
Nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Deutschland und anderen westlichen Ländern gibt es Politiker mit pro-russischen Ansichten. Darauf wies der ukrainische Politikwissenschaftler Wolodymyr Fesenko im Gespräch mit der DW hin. Kiew sollte seiner Ansicht nach seine Partnerschaft mit Deutschland weiter aktiv ausbauen, aber nicht zögern, Forderungen zu stellen und das Vorgehen Berlins zu kritisieren.
„Unter der ukrainischen Vorgängerregierung war öffentliche Kritik an Deutschland und seinen westlichen Partnern generell tabu“, sagt Fesenko. „Aber das hat nicht viel geholfen. Wir müssen partnerschaftlich und freundschaftlich auf die gravierenden Widersprüche hinweisen, die in der Position der offiziellen deutschen Vertreter zum Ausdruck kommen.“ Laut dem Experten würde eine solche Position Russland dienen, aber der Ukraine schaden.
Autor: Aleksander Sawizkij
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