Die Regierung der ultranationalistischen Partei PiS hat das Angebot an Sprachkursen für die verbliebene deutsche Minderheit im Land drastisch reduziert. Das Gericht wurde als wahlbetreibend und diskriminierend kritisiert: „Gebt den Kindern ihre Sprache zurück“, steht seit zwei Wochen auf großen Werbetafeln an Autobahnen im Kreis Oppeln im Südwesten Polens.
Plakate mit dem gleichen Inhalt werden in den Häusern aufgehängt. „Eins ist anders als drei“ oder „Sprachunterricht ist keine Politik“ ist auf Plakaten zu lesen, auf denen ein Junge die Hand vor den Mund hält.
Ziel der Kampagne ist es, an die drastische Reduzierung des muttersprachlichen Unterrichts an Schulen in der Region zu erinnern. Seit dem Schuljahr 2022/23 wurden die drei Stunden pro Woche auf eine geändert.
Die Einschränkung ging mit einer entsprechenden Kürzung des Staatshaushalts 2022 einher und betrifft nur die deutsche Minderheit des Landes – anderen Volksgruppen blieben die drei Stunden pro Woche erhalten.
Nach zahlreichen Protesten versprach Bildungsminister Przemyslaw Czarnek im Januar 2023, die Kürzung rückgängig zu machen. Doch bislang ist dies nicht geschehen.
Der Kreis Oppeln in Oberschlesien ist die Heimat der meisten Angehörigen der deutschen Minderheit des Landes. Etwa 140.000 polnische Staatsbürger bezeichnen sich offiziell als Deutsche. Sie sind die Überreste der Millionen Deutschen, die bis 1945 in der Region lebten, als große Teile der ehemaligen ostdeutschen Gebiete von Polen annektiert wurden. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Soziokultureller Vereine in Polen (VdG) sind mehr als 300.000 polnische Staatsbürger deutscher Abstammung.
Maß für politischen Inhalt
Wer im heutigen Polen, einem äußerst homogenen Land, eine multikulturelle Region sucht, ist in Oberschlesien genau richtig.
Hier ist die Reduzierung des Deutschunterrichts besonders schmerzhaft. Es betrifft 55.000 Kinder in dieser Region, sagt VdG-Präsident Rafal Bartek.
„Da liegt meiner Meinung nach ein völlig falsches politisches Kalkül zugrunde, dass man Kinder für politische Zwecke missbrauchen kann“, betont er. Er sagt, die Maßnahme habe einen sehr starken politischen Charakter und sei Teil der antideutschen Rhetorik der polnischen Regierung mit Blick auf die nächsten Parlamentswahlen.
„Der polnische Bildungsminister hielt es für möglich, die Bundesregierung auf diese Weise zu treffen, da es angeblich keine Symmetrie bei der Finanzierung von Deutsch-Muttersprachkursen in Polen und Polnisch-Muttersprachkursen in Deutschland gibt“, kommentiert Bartek.
Diese angebliche Ungleichbehandlung ist ein ständiger Vorwurf der Regierung an die ultranationalistische Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) der Bundesregierung. Der polnische Bildungsminister Przemyslaw Czarnek reagierte auf Plakaten auf die Kampagne.
„Wenn 120 Millionen Zloty pro Jahr für den Unterricht von Deutsch als Muttersprache eine Diskriminierung darstellen, wie nennt man dann 0 Euro von der Bundesrepublik Deutschland, um Polen in Deutschland Polnisch als Muttersprache beizubringen?“ er argumentierte.
Unterschiede in den Bildungssystemen
Im Februar 2022 entschied der Beauftragte der Bundesregierung für Minderheiten, Bernd Fabritius, über diesen Vorwurf und stellte fest, dass Bildung in Deutschland in der Zuständigkeit der Länder und nicht des Bundes liege.
„In Polen wird die Behauptung, dass die Bundesregierung sie nicht unterstützt, nicht unterstützt [o ensino de polonês]. Das liegt einfach daran, dass Bildung in Deutschland Ländersache ist. Die Finanzierung erfolgt auf Landesebene“, sagte sie.
Laut Fabritius geben die deutschen Bundesländer jedes Jahr rund 200 Millionen Euro für Polnischunterricht aus. Nach Angaben der Konferenz der Kultusstaatssekretäre lag die Zahl der Schüler, die im Schuljahr 2019/20 Polnisch lernten, bei knapp 14.500.
Doch für diejenigen, die in Polen leben und mit dem deutschen Bildungssystem nicht vertraut sind, mögen die Behauptungen der PiS überzeugend klingen.
Der polnische Minister sprach außerdem von 120 Millionen Zloty, also rund 27 Millionen Euro, die für den Unterricht von Deutsch als Muttersprache in Polen ausgegeben würden. Das ist die Hälfte dessen, was vor der Mittelkürzung im Februar 2022 ausgegeben wurde, wodurch sich die Gesamtsumme auf ein Sechstel des vorherigen Betrags reduzierte.
Schwierige Situation für Deutschlehrer
Deutschlehrer in Polen sind besorgt. Lehrer Marcin Gambiec, der seit 14 Jahren an einer Grundschule in Oppeln unterrichtet, sagt, er habe die Hälfte seiner Deutschunterrichtsstunden verpasst.
Er sagt, dass seine Situation nicht die schlechteste sei, da er auch Informatik unterrichten könne und so die fehlenden Deutschstunden durch Computerkurse nachholen könne.
Doch zwei seiner Kollegen, die nebenberuflich als Deutschlehrer arbeiteten, verloren ihren Job, sagt Gambiec.
Die Lehrerin sagt, dass von den Maßnahmen am stärksten die Kinder betroffen seien und nicht die Lehrer. „Für deutschstämmige Familien ist es sehr wichtig, dass die neuen Generationen die Sprache behalten und in der Schule lernen“, sagt er.
Wer seine Kinder für längere Zeit zu Verwandten nach Deutschland schicken kann, sagt Gambiec. Das sei aber kein Ersatz für den Deutschunterricht, betont sie.
Mitten im Wahlkampf
Bartek behauptet, dass es im Wahlkampf für die PiS normal sei, zu antideutschen Maßnahmen zu greifen. „Seit ich denken kann, ist es in Polen Teil des Wahlkampfs, den antideutschen Brief auf den Tisch zu legen“, sagt der Präsident des VdG.
Er sagt aber auch, dass dies das erste Mal sei, dass 55.000 Kinder direkt von diesem politischen Spiel betroffen seien, und bezeichnet die Maßnahme als diskriminierend.
In Polen finden am 15. Oktober Parlamentswahlen statt, doch der Vorwahlkampf läuft schon seit Monaten.
Rund 15.000 Eltern unterzeichneten und verteilten einen Protestbrief gegen Kürzungen der Mittel für den Deutschunterricht als Muttersprache. Sie erhielten nur bürokratische Antworten.
Das Bildungsministerium erklärte, dass „es die bestehenden Regeln in diesem Bereich analysiert, um den Unterricht von Regional-, ethnischen und Minderheitensprachen umfassend zu organisieren“.
Für das bald beginnende Schuljahr 2024/24 bleibt das Angebot an Deutschkursen reduziert.
„Alkoholliebhaber. Möchtegern-Food-Experte. Begeisterter Unruhestifter. Zombie-Fan. Hingebungsvoller Bacon-Fanatiker.“