Bundespräsident Wulff trat live zurück

Der Verdacht des Amtsmissbrauchs als niedersächsischer Ministerpräsident kostete Bundespräsident Christian Wulff seinen Posten. Der erste Mann Deutschlands kündigte seinen Rücktritt in einer Fernseh-Liveübertragung aus dem Präsidentenpalast an.

„Deutschland braucht einen Präsidenten, der sich sowohl für nationale als auch für internationale Interessen aufopfert. Es ist mir nicht mehr möglich, das Amt des Bundespräsidenten im In- und Ausland gut zu bekleiden“, sagte Wulff vor dem Mittagessen. „Deshalb trete ich zurück, um meinem Nachfolger den schnellstmöglichen Amtsantritt zu ermöglichen.“ Der Bundestag muss ihn laut Verfassungsdokument spätestens innerhalb von 30 Tagen, also bis Sonntag, 18. März, wählen.

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Christian Wulff – ein glatter, sachlicher, netter Kerl

Aufgrund der verschärften innenpolitischen Lage hat Bundeskanzlerin Angela Merkel heute ihre Reise nach Italien übereilt abgesagt. Wegen der Affären sieht sich Wulff seit längerem mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, die er ablehnt. Alles begann im Dezember mit der Enthüllung, dass er als niedersächsischer Ministerpräsident ein Wohnungsbaudarlehen von der Ehefrau eines bekannten Kaufmanns erhalten hatte, damals aber jede Geschäftsbeziehung mit ihm bestritt. Wie sich später herausstellte, hatte Wulff versucht, die Veröffentlichung dieser Informationen zu verhindern, indem er angeblich einen Drohanruf an den Chefredakteur der Bild getätigt hatte.

Darüber hinaus machte die deutsche Presse auf weitere Verbindungen des Politikers zu einflussreichen Geschäftsleuten aufmerksam, mit denen er freie Ferien verbrachte. Sein vom Filminvestor David Groenewold bezahlter Urlaub auf Sylt ist ihm wohl zum Verhängnis geworden. Die niedersächsische Regierung unter Wulff bot seinem Unternehmen daraufhin finanzielle Garantien an. Obwohl Groenewold sie nicht nutzte, könnte Wulff laut Staatsanwaltschaft Hannover seine Position missbraucht haben. Die Bundesvertretung hat deshalb am Donnerstag die Bundesversammlung gebeten, die Immunität des Präsidenten aufzuheben, damit sie gegen ihn ermitteln kann.

Christian WolffAutor: Zeichnung Bretislav Kovarik

Damit geriet das deutsche Staatsoberhaupt erstmals in der Geschichte ins Fadenkreuz der Ermittlungsbehörden, was den Druck auf Wulffs Rücktritt nur noch verstärkte. Neben der Opposition begannen auch einige Vertreter des Regierungslagers, die bisher hinter dem ehemaligen Vizevorsitzenden der CDU standen, nach ihr zu rufen. Sein voraussichtlicher Sturz wird damit auch ein Schlag für Merkel sein, die ihn ins höchste Amt befördert hat.

Wulff ist der zweite Bundespräsident in Folge, der vorzeitig zurücktritt. Im Mai 2010 trat sein Vorgänger Horst Köhler aufgrund einer umstrittenen Aussage zurück, Deutschland solle seine Militärpräsenz in Afghanistan auch zur Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Interessen nutzen.

Katrin Taube

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