Anders sieht es die neue Regierung aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen in ihrem Ende November geschlossenen Koalitionsvertrag. Gegenüber Russland wurde größeres Durchsetzungsvermögen erklärt.
– Bisher ist die deutsche Ostpolitik jedoch eher eine Fortsetzung – sagt Justyna Gotkowska, Analystin des Zentrums für Oststudien, sagt Gazeta.pl.
Zwei Stimmen in der Regierung, aber nicht so unähnlich
Innerhalb der Regierung von Bundeskanzler Olf Scholz setzt sich mit den Grünen ein Minderheitskoalitionspartner für einen schärferen Kurs gegenüber Russland ein. Ihr Mitglied ist die derzeitige Leiterin der deutschen Diplomatie, Annalena Baerbock. Aber schärfer bedeutet nicht radikale Unterschiede. Die klarste Trennlinie ist die Bewertung der Gaspipeline Nord Stream 2. Die Grünen sehen das kritisch, und die Sozialdemokratie versucht immer noch, Sie davon zu überzeugen, dass es sich um ein rein geschäftliches Projekt handelt.
Unabhängig davon sind die Grünen Koalitionspartner in der Minderheit. Die Sozialdemokraten, die stärksten in diesem Puzzle, sind traditionell die Partei, die am meisten dafür ist, partnerschaftliche Beziehungen zu Russland zu pflegen und die Interessen deutscher Unternehmen nicht zu gefährden.
– Die aktuelle Position der Bundesregierung könnte man also zusammenfassen: Nord Stream 2 ja, Waffenlieferungen an die Ukraine nein, strenge Sanktionen wie die Abschaltung Russlands vom SWIFT-System eher nicht (das SWIFT-System ist das Rückgrat der internationalen elektronischen Banking, das Abschneiden russischer Banken davon gilt als „nukleare Option“ – Anm. d. Red.) – sagt Gotkowska. Er weist auch darauf hin, dass Deutschland generell innerhalb der Nato auf einer Linie stehe, Russlands Vorgehen gegenüber der Ukraine kritisch sehe und die alliierte Position in Gesprächen mit Russland unterstütze. – Auf der anderen Seite senden sie gemischte Signale, wenn es um Sanktionen geht – sagt der Analyst.
Bereits im Dezember sprach Scholtz offen von NS2 als einem Unternehmen, das von der aktuellen Sicherheitskrise abgekoppelt werden sollte. Das kritisierte Baerbock. Nun äußerte sich Scholtz in einer seiner letzten Reden weniger entschieden und erklärte, im Falle einer russischen Aggression gegen die Ukraine seien „alle Optionen“. grêund die Antwort muss fest sein. – Das Problem besteht darin, dass die Sanktionen streng und die Androhung ihrer Anwendung glaubwürdig sein sollten. Deutschland schwäche mit seinem Vorgehen beide Elemente, sagt Gotkowska.
Die Haltung Deutschlands zur aktuellen Krise ist sehr wichtig, da es das wirtschaftlich stärkste Land in Europa ist, der derzeitige EU-Führer und ein Land, das von den USA als wichtigster Verbündeter auf diesem Kontinent behandelt wird. Die vage Haltung Berlins ist daher von besonderer Bedeutung, wenn es darum geht, eine geschlossene Nato-Front aufrechtzuerhalten und Russland abzuschrecken.
Die Deutschen verdienen lieber und reden
Der Analyst weist jedoch darauf hin, dass sich die interne öffentliche Debatte über die deutsche Ostpolitik zweifellos verändert. Kritik an der Berliner Position ist mittlerweile in Experten- und Journalistenkreisen weit verbreitet. – Dieser Prozess begann bereits 2014 und beschleunigt sich nun. Die Regierung gerät zunehmend unter Druck. Ich nehme an, dass Änderungen langfristig erwartet werden können, aber nicht jetzt. Nicht sofort – sagt Gotkowska.
Laut dem Experten erlauben die Russen selbst den Deutschen nicht, ihren bisherigen Kurs fortzusetzen. Mit ihrer aggressiven Politik gegenüber der Ukraine und unrealistischen Forderungen an die NATO zwingen sie zum Umdenken. Druck von Verbündeten, insbesondere den USA, hilft sehr. – Es ist nur ein langsamer Prozess – betont Gotkowska.
Die Einstellung zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit Russland hat lange und starke Wurzeln in der deutschen Politik. Nach dem Ende des Kalten Krieges verzichtete Deutschland eifrig auf eine harte Außenpolitik und eine bedeutende Militärmacht zugunsten von Wirtschaftspolitik und einer sanften Dialogpolitik. Auch gegen undemokratische Länder.
– Dies ist nach wie vor die Grundlage der Beziehungen Deutschlands zu Russland. Zumal sie sich von ihr nicht so bedroht fühlen wie zum Beispiel wir. Deshalb versuchen sie lieber den Dialog als den schwierigen und kostspieligen Weg der Konfrontation und Sanktionen – beschreibt Gotkowska. Zudem verweist Deutschland regelmäßig auf die „schwierige Geschichte“, wie beispielsweise Bundesministerin Baerbock bei ihrem jüngsten Besuch in Kiew die Zurückhaltung Deutschlands bei Waffenlieferungen an die Ukraine begründete. – Historische Fragen, einige Versuche, die zeitgenössische Politik mit dem Trauma des Zweiten Weltkriegs zu rechtfertigen, sind meiner Meinung nach nur eine bequeme Ausrede – sagt der OSW-Experte.
Der sanfte Umgang mit Russland wird durch die Überzeugung gestützt, dass der Westen praktisch keine Wahl hat. Russland wird nicht verschwinden und ist ein Land mit starker Militärmacht und reich an wichtigen Rohstoffen. – Berlin ist davon überzeugt, dass wir hier in Europa nicht das Potenzial haben, mit einem so militärisch mächtigen Land hart zu spielen. Auf Zusatz Die Amerikaner konzentrieren sich immer mehr auf Asien und sind nicht mehr so zuverlässig wie früher. Hinzu kommen die Fragen der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen und der Rohstoffversorgung – schildert der Experte.
– Leider werden diese deutschen Schwächen von Russland ausgenutzt, das jedoch auch die deutschen roten Linien überschreitet, und daher ändern sich auch die deutschen Diskussionen und Positionen nur sehr langsam – fügt Gotkowska hinzu.
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