– Natürlich werde ich nie vergessen, woher ich komme. Ich bin Deutscher, aber ich weiß, wo meine Wurzeln liegen – sagte Paul Ziemak 2014 im DW-Interview. Ziemak, Generalsekretär der CDU, gilt als der einflussreichste deutsche Politiker mit polnischen Wurzeln. Er wurde 1985 in Stettin geboren und ging im Alter von zweieinhalb Jahren mit seinen Eltern – Ärzten – und seinem älteren Bruder in die Bundesrepublik.
In hoher Position in der Partei engagiert er sich vor allem in der deutschen Politik, ist aber auch in Sachen Polen am Puls der Zeit. Dies war der Fall, als im vergangenen Jahr im Bundestag die Frage des Gedenkens an die polnischen Kriegsopfer in Berlin geklärt wurde. Im Gegenzug wurde er 2019 von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Warschau entsandt, um PiS-Chef Jarosław Kaczyński davon zu überzeugen, die Kandidatur der Deutschen Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin zu unterstützen.
Als 13-Jähriger begann Paul Ziemak in der christdemokratischen Jugendgruppe Junge Union zu arbeiten, 2014 wurde er deren Vorsitzender. Nach der Bundestagswahl 2017 zog er in den Bundestag ein. Ein Jahr später schlug die neu gewählte Vorsitzende der Partei, Annegret Kramp-Karrenbauer, auf dem CDU-Kongress die Kandidatur des damals 33-jährigen Ziemak für das Amt des Generalsekretärs vor. Er gewann die Unterstützung von fast 63 Prozent der Delegierten und wurde der jüngste Politiker in der Geschichte der Partei, der dieses Amt innehatte.
Ziemak kandidiert in diesem Jahr auch für einen Sitz im Bundestag, für den Wahlkreis, zu dem unter anderem die Stadt Iserlohn in Nordrhein-Westfalen gehört, mit der er seit seiner Kindheit verbunden ist.
deutsch, polnisch, europäisch
Das Pfarralter von Paul Ziemak ist Agnieszka Brugger (geb. Malczak), eine Abgeordnete aus Zieloni, geboren in Legnica. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Parlamentsklubs der Partei im Bundestag. Als sie vier Jahre alt war, zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Ihre Eltern waren aktive Solidarnosc-Aktivisten in Polen.
2004 trat sie den Grünen und deren Jugendpartei bei, 2009 wechselte sie als jüngste Abgeordnete und erste mit polnischen Wurzeln in den Bundestag. Die deutschen Medien konzentrierten sich damals vor allem auf ihr unkonventionelles Aussehen: Haare knallrot gefärbt und stechend im Mund.
Im Bundestag befasst sich Brugger vor allem mit den Themen Abrüstung, Sicherheit und Verteidigung. Für drei Semester wurde sie Expertin auf diesem Gebiet. Ihre Vision ist eine Welt ohne Atomwaffen.
Agnieszka Brugger sagte in Interviews, dass sie sich sowohl als Deutsche als auch als Polin fühle. Dass sie als Tochter polnischer Emigranten in Deutschland aufgewachsen ist, hat sie sicherlich stark geprägt. – Ich bin und fühle mich Europäerin, das ist polnisch und was deutsch – sagte sie in einem der ersten Interviews.
Sie kritisierte die fehlende Wiedergutmachung
Żaklin Nastić aus Gdynia ist seit vier Jahren Bundestagsabgeordneter. Sie ist Vorstandsmitglied der Partei Die Linke und Vorsitzende der Parteistrukturen in Hamburg. Sie kam 1990 als 10-Jährige nach Deutschland. Sie lebte einige Zeit in Hamburger Flüchtlingsunterkünften. Wie sie selbst sagt, hat ihre Familie polnische, deutsche, kaschubische und jüdische Wurzeln.
Żaklin Nastić studierte Slawistik. 2008 trat sie der Linken bei. Sie saß im Kreistag, dann in der Hamburger Bürgerschaft und 2017 in den Bundestag. Er ist Mitglied des parlamentarischen Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Sie ist in ihrer Partei eine Expertin für diese Fragen.
Nastić ist auch stellvertretender Vorsitzender der polnisch-deutschen Fraktion im Bundestag. In den Medien kritisierte sie die Haltung der Bundesregierung in der Diskussion um die Wiedergutmachung Polens für Kriegsschäden und warf ihr vor, „die Blockade zu nutzen“. Im letztjährigen Interview mit der Wochenzeitung „Der Spiegel“ argumentierte sie, man könne nicht am Gedenken an den deutschen Nazi-Terror und -Faschismus teilnehmen und dann „umsonst Vergebung von den Opfern fordern“.
Oberschlesien und Polen
Ziemak, Brugger und Nastić sind nicht die einzigen Kandidaten, die bei den Bundestagswahlen der 20. Wahlperiode mit Polen verbunden sind. Insgesamt bewerben sich 6.211 Personen um einen Parlamentssitz, aber die Wahlkommission zählt nicht, wie viele von ihnen polnischer, türkischer oder anderer ausländischer Herkunft sind. „Ausschlaggebend für die Annahme eines Antrags ist die deutsche Staatsangehörigkeit. Angaben zu Migrationsherkunft oder zusätzlicher Staatsbürgerschaft sind nicht enthalten“, antwortet die Bundeswahlkommission.
In der Liste aller Kandidaten taucht für etwa ein Dutzend Personen mit polnisch klingenden Nachnamen der Geburtsort in Polen auf. Die meisten von ihnen sind in den Dreißigern und gehören kleinen, unbekannten oder parteilosen Parteien an.
Auch Sebastian Wladarz bewirbt sich von der CDU-Liste um einen Sitz im Bundestag und betont, er sei „Oberschlesier, Deutscher, Europäer“. Geboren in Gliwice, der dortigen deutschen Minderheit nahestehend, wanderte er Ende der 1980er Jahre mit seiner Familie nach Deutschland aus. Obwohl er auf der Parteiliste an einem abgelegenen Ort steht, von dem aus der Einzug ins Parlament an ein Wunder grenzt, betont er, seine Kandidatur solle „ein Signal sowohl für Oberschlesien als auch für Polen“ sein. Er fühlt sich mit ihnen verbunden.
Wladarz will nicht nur außerhalb, sondern auch in seiner eigenen Partei zeigen, wie wichtig es ist, Zuwanderer aus Polen und damit verbundene Themen in die Politik einzubeziehen. – Es ist eine große Wählerschaft, von denen viele ähnlich wie die Christdemokraten konservative Wurzeln haben – sagt Sebastian Wladarz. – Wir müssen uns mehr um sie kümmern, nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Ländern oder auf lokaler Ebene, sagt er.
Polen bilden nach den Türken die größte Einwanderergruppe in Deutschland. Die Zahl der Menschen aus Polen wird auf 2,2 Millionen geschätzt (aus der Türkei auf 2,8 Millionen).
Achtmal „Polen“
Im Bundestagswahlkampf treten Polen und ausländische Themen äußerst selten auf. – Das ist normal – sagt Dr. Agnieszka Łada-Konefał, Politikwissenschaftlerin, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Polenangelegenheiten in Darmstadt. – Bei allen Wahlen ist Außenpolitik kein zentrales Thema. Die Wähler interessieren sich für innere Angelegenheiten sowie für Sozial-, Sozial- und Wirtschaftspolitik.
Insgesamt acht Mal taucht Polen in den Wahlprogrammen der wichtigsten Parteien auf. – Dreimal im Programm der Christlich-Demokratischen Partei, zweimal für die Grünen und die Linke, einmal im FDP-Programm – Listen von Agnieszka Łada-Konefał. Frankreich taucht nicht viel häufiger auf – 14 Mal – aber Russland schon 57 Mal.
Agnieszka Łada-Konefał, stellvertretende Leiterin des Deutschen Instituts für Polenangelegenheiten in Darmstadt
Die Christdemokraten sprechen ganz konkret von Polen, was bestätigt, dass die enge Zusammenarbeit und die Pflege der Freundschaft mit Polen die zentrale Aufgabe der deutschen Außenpolitik bleiben. Er erwähnt auch die Notwendigkeit, die Verkehrsinfrastruktur nach Polen auszubauen und die Zusammenarbeit im Weimarer Dreieck zu stärken.
Polen wird auch von den Grünen und Liberalen der FDP erwähnt. Letztere sind besorgt über die Gleichstellung von LGBTQ-Menschen. Die Grünen wiederum schreiben: „Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen mehr Verantwortung für die Außen- und Sicherheitspolitik übernehmen. Das gilt insbesondere für die Sicherheit der östlichen Nachbarn der EU, aber auch der baltischen Staaten und Polens.“
– Das Wort „Polen“ taucht im Programm der Sozialdemokraten nie auf, aber es ist sehr kurz und enthält keine Details – erklärt Agnieszka Łada-Konefał.
Sie sind nett zu Polen
Die Wahlprogramme erwähnen keine historische Politik, zB das geplante Gedenken an polnische Kriegsopfer in Berlin. Solche Themen sollen in den künftigen Koalitionsvertrag aufgenommen werden. Alle Parteien, die bei der Regierungsbildung berücksichtigt werden, bekunden ihren Willen, den Polen zu gedenken. Die Frage ist nur, welche Abgeordneten, die bisher in polnisch-deutsche Angelegenheiten involviert waren, in den künftigen Bundestag kommen?
Wie Agnieszka Łada-Konefał betont, können nicht nur Abgeordnete mit polnischen Wurzeln für Polen relevant sein. – Wir haben Kandidaten, die Polen kennen und ihm sehr sympathisch sind – sagt er. Einer von ihnen ist Manuel Sarrazin von den Grünen, Vorsitzender der deutsch-polnischen Bundestagsfraktion. Auch Knut Abraham von der CDU, derzeit Vize-Botschafter Deutschlands in Polen, zieht erstmals in den Bundestag ein. – Als Abgeordneter wäre er den polnisch-deutschen Beziehungen sehr zugetan – glaubt der Politologe.
Ein weiterer Kandidat ist Dietmar Nietan, SPD-Kassierer und Vorsitzender des Bundes Deutsch-Polnischer Gesellschaften in Deutschland. Und in diesem Fall ist zu hoffen, dass er mit seinem Einzug ins Parlament sicherlich die deutsch-polnische Zusammenarbeit stärken wird.
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