Warum Europa über Atomkraft diskutiert

Wie wir kürzlich erzählt hatten hier auf Linkiesta Atomenergie wird immer häufiger diskutiert, und zwar deshalb, weil es einerseits eine Technologie mit geringen CO2-Emissionen in die Atmosphäre ist, die einerseits für eine nützliche Ressource zur Bekämpfung der globalen Erwärmung gehalten wird. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die sich weiterhin Sorgen über die möglichen Risiken und die Entsorgung von Abfällen machen. Die Nachricht ist, dass diese Diskussion heute die Europäische Kommission erreicht hat.

Tatsächlich möchte die Kommission die Kernenergie einbeziehen in der Liste nachhaltiger Wirtschaftszweige. Diese im europäischen Grünen Deal vorgesehene Liste wird als „grüne Taxonomie“ bezeichnet und hat die Befugnis, öffentliche und private Mittel für bestimmte Aktivitäten bereitzustellen und deren Kontinuität zu gewährleisten. Der Grund dafür ist, dass die Kernenergie nach Ansicht der Kommission eine nützliche Quelle für die Fortsetzung des ökologischen Wandels sein sollte: Die Sicherung des Energiebedarfs der europäischen Bürger, während die technologische und wissenschaftliche Forschung zu erneuerbaren Energiequellen in der Zwischenzeit dafür sorgen wird, dass sie billiger werden und daher auch weiter verbreitet.

Allerdings muss die Taxonomie, um wirksam zu werden, noch zwei Abstimmungen durchlaufen: die des Europäischen Rates (mit qualifizierter Mehrheit) und anschließend des Europäischen Parlaments (mit einfacher Mehrheit). In beiden Fällen könnte der Entwurf an den Gegenstimmen scheitern, die Gegenstimmen wären aber derzeit in der Minderheit.

Zu den Regierungen, die den Entwurf offen befürworten, gehören Frankreich (das seit dem 1. es muss Wege finden, auf Kohle zu verzichten, die die umweltschädlichste aller fossilen Quellen ist und von der Warschau zu 74 % abhängt. Vor allem Deutschland lehnt die Einbeziehung der Atomkraft als nachhaltige Energiequelle ab, aber auch Spanien und Luxemburg.

Dieser Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland ist kein Zufall. Aber bevor man die Gründe sieht, muss gesagt werden, dass der Entwurf keine vollständige Einbeziehung der Kernenergie in die erneuerbaren Energien vorsieht. Der Text stellt klar, dass Kernenergie nur dann als nachhaltige Energiequelle gilt, wenn Kernkraftwerke keine „erheblichen“ Umweltschäden verursachen. Auch die Aufnahme in die Taxonomie hat eine Frist: 2045. Bis zu diesem Datum gilt der Bau neuer Anlagen zur Erzeugung von Kernenergie als nachhaltig und damit förderungswürdig und förderungswürdig. Und nicht nur das: Der gleiche Entwurf sieht auch vor, dass Erdgas zu den erneuerbaren Quellen zählt, die zwar weniger umweltschädlich sind als Kohle (sie verursacht etwa die Hälfte der Emissionen), aber dennoch eine fossile Quelle bleibt. Auch bei Erdgas gilt die Aufnahme unter bestimmten Voraussetzungen: dass die Neuinvestitionen Öl und Kohle ersetzen und pro erzeugtem Kilowatt nicht mehr als 270 Gramm CO2 in die Atmosphäre emittiert werden.

Kommen wir zurück zum Aufeinandertreffen zwischen Frankreich und Deutschland, den beiden wichtigsten Akteuren in diesem Aufeinandertreffen, bei dem es um Energie geht, aber vor allem um Politik. Der Kontext ist folgender: Die Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union ist gerade an Frankreich übergegangen. Mit dem Niedergang der deutschen Bundeskanzlerin Merkel ist die Rolle der europäischen Führung, die fest in deutscher Hand war, wieder in der Schwebe und Paris ist sich dessen bewusst. Für Frankreich ist es an der Zeit, die Güte seiner Energiebilanz zu behaupten, die weitgehend von Atomkraft und in geringerem Maße von erneuerbaren Energien abhängt, die aber bereits von Fossilien abgekoppelt ist. Erdgas hingegen ist der wichtigste Energieträger für Deutschland, denn hier, an den Küsten der Kleinstadt Greifswald, trifft die große Nord Stream-Gaspipeline direkt aus Russland ein, an die bald ihr Zwillingsbruder angeschlossen wird hinzugefügt. das viel diskutierte Nord Stream 2.

Aus Deutschland zweigt das Gas dann in Pipelines ab, die das restliche Europa erreichen. Kurz gesagt, angesichts der strategischen und politischen Bedeutung der Energie sind dies zwei gegensätzliche Visionen, zwei Energiemodelle, die die beiden wichtigsten europäischen Mächte gegenüber dem Rest der Union durchsetzen möchten. In einem Fall, dem von Paris geförderten Atomkraftanreiz, würde er auch die Bindung des alten Kontinents an Russland schwächen, das nach wie vor der führende Erdgasexporteur der Welt ist. Im zweiten Fall aber, also wenn die Kernenergie den Erdgasverbrauch nicht beeinflusst, würde die Führung Berlins sicherlich solider bleiben.

Dass Berlin absolut gegen Atomkraft ist, wurde durch die bis heute andauernde schrittweise Stilllegung aller Atomkraftwerke des Landes verstanden. Gleichzeitig hält Deutschland die viel umweltschädlicheren Kohlekraftwerke jedoch weiterhin offen. Paris bringt diesen Widerspruch ans Licht: Bundesminister Habeck (der auch Vizekanzler ist) sagte ausdrücklich, dass sein Land der neuen Taxonomie nicht zustimmen könne, wenn sie Atomkraft als erneuerbare Energiequelle einbeziehe. Aber jetzt, nach mehreren Quellen, Deutschland wird nicht gegen die Maßnahme stimmen, sondern sich der Stimme enthalten.

Der Zusammenstoß zwischen Paris und Berlin, der bei der Einbeziehung von Atom und Erdgas in die erneuerbaren Energien abgelehnt wurde, ist so offensichtlich, dass einige Exponenten der deutschen Grünen spekuliert haben, dass es sogar eine Einigung zwischen Kanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Macron gegeben hat. Im Wesentlichen hätte ersteres ermöglicht, Atomkraft als nachhaltig zu bezeichnen, im Gegenzug für die Aufnahme in die Taxonomie von Erdgas, dem Rückgrat des deutschen Energieprojekts. Die Hypothese wurde bestritten, soweit wir wissen, dass es sich um eine reine Verschwörung handelt, aber sie gibt die Vorstellung von den Spannungen zwischen den beiden europäischen Mächten.

Aldrich Sachs

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