Die 1951 gegründete Institution zur Förderung der deutschen Kultur im Ausland spiegelt die Entwicklung und Veränderungen des europäischen Landes in den letzten 70 Jahren wider. Heute hat Goethe 158 Niederlassungen weltweit, fünf davon in Brasilien. Das Goethe-Institut feiert sein 70-jähriges Bestehen. Die gemeinnützige deutsche Einrichtung ist die Bastion der Verbreitung der deutschen Sprache und Kultur durch internationalen Austausch sowie Kultur- und Bildungsprogramme – derzeit hat das Goethe-Institut 158 Büros in 98 Ländern weltweit. Angefangen hat alles im Nachkriegsdeutschland 1951 mit der Gründung des Goethe-Instituts in München – sechs Jahre nach der Schließung seines Vorgängers. Der Vorläufer, „Deutsche Akademie“ genannt und 1925 gegründet, war zu einem Werkzeug des NS-Staates umfunktioniert worden. Erst am Ende des Zweiten Weltkriegs lösten die amerikanischen Besatzer das ihrer Meinung nach „gesamteuropäische Propaganda- und Spionagezentrum“ der Nazis auf. Mehr als ein halbes Jahrzehnt später markierte die Neugründung des Goethe-Instituts auch einen politischen Neuanfang in Deutschland. Kulturelles Prestige-Instrument Zunächst holte das Goethe-Institut deutsche Professoren aus aller Welt nach Deutschland, um sie auszubilden. Doch der Deutschunterricht im Ausland gewann schnell an Bedeutung. Dazu wurden weltweit Institute ins Leben gerufen – das erste in Athen 1952. 1961 gab es bereits 53 Institute im Ausland, darunter die erste Abteilung in Brasilien, die offiziell am 18. Mai 1975 in Rio de Janeiro gegründet wurde – heute in Neben der Carioca-Vertretung ist das Goethe-Institut auch in Porto Alegre, Curitiba, São Paulo und Salvador präsent. Zwischen 1958 und 1963 wurde Afrika zum Schwerpunkt des Goethe-Instituts, und bald breitete sich ein Netzwerk über den afrikanischen Kontinent aus. Kulturelle Persönlichkeiten aus Deutschland wurden auf Tourneen zu Goethe-Instituten in der ganzen Welt geschickt – so verzauberte der Jazzmusiker Albert Mangelsdorf mit seinem Quartett Teile Asiens und gab 1973 zwei Shows in Brasilien, außerdem wurde psychedelische elektronische Musik Deutsch präsentiert und in Kabul gehört. Eines der spannendsten Kapitel in der Geschichte des Goethe-Instituts war sicherlich der Kalte Krieg. Die westliche Welt war im Grunde in zwei politische Blöcke gespalten, die bis an die Zähne bewaffnet waren. Und auch in der Auswärtigen Kulturpolitik kämpfte das geteilte Deutschland nicht nur von München aus um Macht und Einfluss: Die DDR entsandte Kulturattachés des in Leipzig gegründeten Herder-Instituts, ebenfalls 1951 – für den Kulturlauf und eröffnete Kultur- und Informationszentren im Ausland, die auch Deutschkurse anboten. Einige konkurrierten direkt mit dem Goethe-Institut. Die politisch-kulturelle Konkurrenz zwischen Westdeutschland und Ostdeutschland dauerte bis zum Fall der Berliner Mauer 1989. Papst Franziskus lernte Deutsch am Goethe-Institut Bereits in den 1970er Jahren sorgte das Goethe-Institut für Debatten und Kontroversen. Der vom Goethe-Institut geförderte Künstler Klaus Staeck sorgte für Kontroversen: Eine Collage zeigte den damaligen CSU-Präsidenten Franz Josef Strauß, wie er entschlossen sein Messer schärft, begleitet von dem Satz: „Der Kalte Krieg regt uns auf“ .“ Politiker waren empört über die Beleidigung durch ein vom Steuerzahler finanziertes Projekt. 1977 geriet das Goethe-Institut ins Visier linker Terroristen, die Anschläge auf Einrichtungen der Institution in Paris und Madrid verübten. Mitte der 1980er Jahre lernte der argentinische Geistliche Jorge Mario Bergoglio Deutsch am Goethe-Institut in Boppard, einer Kleinstadt am Rhein in Rheinland-Pfalz. Mit der Familie, die ihn damals in ihrem Haus aufnahm, pflegt Papst Franziskus bis heute eine Freundschaft und Korrespondenz. Ein weiterer wegweisender Ausschnitt in der Geschichte des Goethe-Instituts fand 1987 statt. Der in den Niederlanden geborene Komiker Rudi Carell, der in Deutschland Karriere gemacht hat, sorgte für diplomatisches Aufsehen für einen TV-Sketch über den achten Jahrestag der iranischen Revolution, der zeigt, in bearbeiteter Form die Öffentlichkeit in den Straßen, die Dessous für Ayatollah Khomeini wirft. Am nächsten Tag deportierte der Iran zwei deutsche Diplomaten und strich alle Flüge nach Westdeutschland. Das Goethe-Institut in Teheran musste vorübergehend geschlossen werden. Expansion nach Osteuropa Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 begann sich das Goethe-Institut auch in Osteuropa zu etablieren. Die ersten Institute wurden in den Ländern des ehemaligen Sowjetblocks eingerichtet. Was einst unvorstellbar schien, weihte schließlich 1992 der damalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel das Goethe-Institut in Moskau ein. Und auch auf dem ehemaligen politischen Territorium der DDR wuchs das Goethe-Institut. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 veränderten auch die Arbeit des Goethe-Instituts – der interkulturelle Dialog und die Verständigung standen ganz oben auf der Prioritätenliste. Das Goethe-Institut konzentriert sich nun auf die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Prävention von Konflikten. „Unsere größte Herausforderung in der Kulturarbeit ist das, was im Englischen ‚Shrinking Spaces‘ genannt wird, also das Aufkommen illiberaler Tendenzen, autoritärer Regime, die zunehmend versuchen, Räume für künstlerische Aktivitäten zu begrenzen und intellektuelle Aktivitäten zu kontrollieren“, sagte die derzeitige Präsidentin des Goethe-Instituts, Carola Lentz. Für das Goethe-Institut heißt das herauszufinden, wo noch gearbeitet werden kann und wo nicht – wie derzeit in Weißrussland. Wichtig sei, so Lentz nach wie vor, „Formate zu entwickeln, die trotz allem Austausch und Begegnung ermöglichen“. Lentz ist Ethnologe und Afrika-Spezialist – ein Wissenschaftler aus Überzeugung. Seit genau einem Jahr leitet sie das Goethe-Institut, das ihrer Meinung nach „ein sehr vielfältiges, differenziertes und facettenreiches Deutschlandbild, geprägt von Rückzug und Zuhören“ in die Welt trägt. „Wir sind nicht die globalen Besserwisser der Welt“, betonte er. Vielmehr geht es darum, gemeinsam mit Partnern gemeinsame Antworten auf globale Fragen zu entwickeln. „Mit den vielfältigen und äußerst spannenden literarischen, musikalischen, bildnerischen und künstlerischen Projekten, die wir natürlich auch gerne zeigen, suchen wir den Kontakt zu Menschen aus anderen Gesellschaften“, so Lentz. Autor: Stefan Dege
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