Pater Erdogan. Der türkische Präsident will Unterstützung in Deutschland, nicht zu Hause

Eine Mehrheit der Türken in Deutschland wählt regelmäßig den nun wiedergewählten Präsidenten Erdogan. Daran änderte sich auch im zweiten Wahlgang der letzten Präsidentschaftswahl nichts. Nach Angaben der türkischen Regierungspresseagentur Anadolu erhielt der türkische Präsident in Deutschland im Hundertsten Bezirk 67 Prozent der Stimmen, fünfzehn Prozentpunkte mehr als in der Türkei.

Damit schnitt Erdogan bei den türkischen Wählern in Deutschland erneut deutlich besser ab als die Gesamtwertung. So erhielt Erdogan im ersten Wahlgang vor dreizehn Tagen 65,5 Prozent der Stimmen der Deutsch-Türken. Ein ähnliches Ergebnis erzielte er bei der Wahl 2018 mit einem Plus von 64,8 Prozent.

Die einzige Ausnahme von diesem Trend ist Berlin, wo sich die größte türkische Menina befindet. Nach Angaben des Berliner Regionalsenders RBB stimmten dort die einhunderttausend Erstwähler vollständig ab: Erdogan hatte die Unterstützung von 50 Prozent der Wähler, sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu gewann die Sympathie von 49 Prozent von ihnen. Insgesamt sind in Deutschland 1,5 Millionen Deutschtürken wahlberechtigt.

Konservatives Land und Diskriminierung

Experten zufolge lässt sich die große Beliebtheit, die Erdogan bei den Deutschtürken genießt, mit der sozialen Zusammensetzung seiner Wählerschaft erklären. Die meisten türkischen Einwanderer der ersten Generation, die Mitte des letzten Jahrhunderts aus Anatolien nach Deutschland einwanderten, waren sozialkonservativ und traditionell säkular. Und sie haben sich im Laufe der nächsten Jahrhunderte nicht verändert.

So ist Erdogans Regierungspartei AKP in Deutschland organisiert. Darüber hinaus folgen viele türkischsprachige Haushalte den staatlich kontrollierten türkischen Medien, die tendenziell Erdogan bevorzugen.

Darüber hinaus wird eine Protesthaltung, insbesondere bei jungen Wählern, Erdogan zum Ansturm nach Deutschland verhelfen. Es liegt an der Erfahrung mit Diskriminierung. Deshalb stimmen sie tendenziell für einen Präsidenten, der selbstbewusst auf eine starke Türkei pocht, meint Yunus Ulusoy von der Stiftung für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen.

Gerade bei der jungen Generation, die vollständig in Deutschland sozialisiert ist, zeigt sich mitunter eine Haltung des Trotzes. Einige von ihnen hätten die unangenehme Erfahrung gemacht, dass es in Deutschland keinen großen Wert habe, Türke oder Muslim zu sein, erklärt Ulusoy. Und dann kommt ein Jäger, der ihnen das Gefühl gibt, dass er diesen Wert erkennt, der sie ihre Zugehörigkeit zur Türkei schätzen lässt und nicht zuletzt ihre Emotionen, ihre Herzen anspricht. Und für Erdogan wird es lange dauern.

Der Grund für dieses Ergebnis ist, dass Erdogan ein Vakuum hinterlässt. „Viele Menschen haben das Gefühl, dass die Türkei dank mir wieder auf der Weltkarte steht“, sagt Bundestagsabgeordnete Serap Gler.

Mercedes mit türkischen Flaggen

Am Sonntagabend gingen Erdogans Anhänger auf die Straßen deutscher Städte, um seinen Sieg im zweiten Wahlgang zu feiern. In Duisburg beispielsweise, wo es viele türkische Meninas gibt, waren nach Angaben der Polizei mehrere hundert Fahrzeuge und mehrere hundert Lastwagen unterwegs. Und unter freiem Himmel, ohne Feuerwerk, blieb die Feier laut Polizei ruhig. In München bildeten sich auf der Leopoldstraße in Schwabing Autokolonnen, viele Mercedes mit türkischen Flaggen seien zu sehen, berichteten örtliche Medien. Ähnliche Konvois meldete die Polizei auch im Berliner Kreuzberg.

Feierlichkeiten in deutschen Städten wie Hamburg, Frankfurt am Main und Köln führten zu ihrer Verurteilung in Deutschland. Sie wurden vom türkischstämmigen deutschen Landwirtschaftsminister Cem Zdemir kritisiert, der gleichzeitig die relative Meinungsfreiheit während der Regierung Erdogan erwähnte.

Mir tun so viele Menschen in der Türkei leid, vor allem junge Menschen, die jetzt ihren Glauben verloren haben. Sind wir darauf vorbereitet, dass die neuen Immobilien aus Ankara noch mehr Ultranationalismus und Fundamentalismus ins Land bringen werden? pt se zdemir Ihm zufolge sind sich die Türken, die Erdogans Tod feiern, der Folgen einer Verlängerung seiner zwanzigjährigen Herrschaft um weitere fünf Jahre nicht bewusst. Für viele Menschen in der Türkei bedeute dies Armut und Unfreiheit, sagte Zdemir.

Feierlichkeiten in Belgien, auf dem Balkan und in Pakistan

Insgesamt wählen 3,41 Millionen Türken im Ausland. Im ersten Wahlgang gewann Erdogan mit 72 Prozent in Belgien und Österreich am meisten, in den Niederlanden stimmten 69 Prozent für ihn und in Frankreich 62 Prozent. Der Oppositionsführer gewann im ersten Wahlgang mit großem Gewicht in Großbritannien (79 Prozent) und mit gleichem Vorsprung in Tschechien, wo 57 Prozent für ihn stimmten. Insgesamt gewann Erdogan in der ersten Wahlrunde mit 57,5 ​​Prozent der Stimmen, sein Landsmann Kemal Kilidaroglu erhielt 39,6 Prozent.

In der Nacht von Sonntag auf Montag feierten Türken in Serbien, Pakistan, den Niederlanden und den Balkanländern Erdogans Geburt. Laut Nachrichtenagenturen jubelten auch Palästinenser, die in Ostjerusalem vor der Al-Aqs-Moschee feierten. In New York verschenkte eine palästinensische Geschäftsfrau aus Freude über den Besuch des türkischen Präsidenten kostenlose Falafel.

Katrin Taube

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